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Bulgarien: Metropolit Nikolaj von Plovdiv verteidigt Ministerpräsident gegen Proteste

20. August 2020

Am Fest der Entschlafung der Gottesgebärerin hat Metropolit Nikolaj (Sevastijanov) von Plovdiv die bulgarische Regierung gegen die seit fünf Wochen andauernden Proteste in Schutz genommen. Er bezeichnete die letzten zehn Jahre als die besten in der Geschichte der Bulgarischen Orthodoxe Kirche (BOK), seit diese vor 150 Jahren ihre Selbständigkeit wiedergewonnen hat. Unter dem Vorsitz von Ministerpräsident Bojko Borisov habe die Kirche eine massive Unterstützung erfahren. Die Regierung würde deren Stimme in ethischen Fragen wahrnehmen und berücksichtigen. Zudem sei die Ratifizierung der Istanbul-Konvention zurückgezogen und die Legitimierung der Leihmutterschaft und der geschlechtsgleichen Familien verhindert worden.

An der Liturgie am 15. August nahmen auch die stellv. Ministerpräsidentin und Ministerin für Tourismus, Mariana Nikolova, der Bürgermeister von Plovdiv, Zdravko Dimitrov, und weitere Regierungsvertreter teil. Der Metropolit würdigte die Weigerung des Ministerpräsidenten, die Kirchen für den Besuch von Gläubigen in der Osterzeit zu schließen, und sprach von einer „Hysterie um die Pandemie“, die damals ihren Höhepunkt erreicht hätte. Zufrieden stelle Nikolaj fest, dass die Regierungen von Borissov die Funktion der BOK als tragende Säule für den Staat anerkenne. Zwar würdigte er mit einem Satz auch den Verdienst des ehemaligen Zaren Simeon Sakskoburggotski, der während seiner Regierungszeit als Ministerpräsident (2001–2005) wesentlich zur Beendigung der 1992 entstandenen Spaltung in der BOK beigetragen hatte, doch die zehn Jahre unter Borisov seien „eine segensreiche Zeit“ gewesen. Er hoffe, dass der Ministerpräsident auch in Zukunft das Land im selben Geist der Berücksichtigung der Gebote Gottes regieren werde.

Zwar betonte Metropolit Nikolaj, dass er nur seine Meinung zur aktuellen Lage zum Ausdruck bringen wolle, doch viele Gläubige störten sich sowohl am Inhalt seiner Rede als auch am Zeitpunkt. In den sozialen Medien äußerten sie ihren Unmut, dass an so einem hohen kirchlichen Fest politische Botschaften verbreitet würden und unterstrichen ihre Kritik an der Regierung und ihre Unterstützung für die Forderungen der Demonstranten.

Tatsächlich hat Borisov der BOK beträchtliche finanzielle Unterstützung erwiesen. Doch viele bulgarische Bürger, darunter auch zahlreiche Gläubige, haben den Verdacht, dass dadurch ein Firmenkreis um den Ministerpräsidenten begünstigt wird, der mit EU-Geldern Projekte im kirchlichen Bereich wie Sanierungen und Bau von kirchlichen Einrichtungen durchführt und sich so bereichert. Eben diese Praxis der Verstrickung von Oligarchen mit der politischen Macht, wobei EU-Subventionen oft eine große Rolle spielen, ist einer der Hauptkritikpunkte der Protestierenden an der Regierung. Dass am selben Tag Metropolit Nikolaj und die Tourismus-Ministerin das Geschäftsfeld Pilgertourismus besprachen, nähren Befürchtungen in diese Richtung. Ohnehin sehen viele Bulgaren die starke Annäherung zwischen Staat und Kirche in den letzten Jahren kritisch, insbesondere nachdem die Regierung beschlossen hat, die Gehälter der Geistlichen zu finanzieren. Als vor zwei Monaten diese sehr enge Bindung zwischen Staat und Kirche in der TV-Sendung „Glaube und Gesellschaft“ thematisiert wurde, die die populärste Sendung mit religiöser Thematik im bulgarischen Fernsehen ist, erklärte der Senderchef Emil Košlukov anschließend den Moderator Goran Blagoev für abgesetzt, weil dieser die Autorität des Hl. Synods ruiniere.

Vladislav Atanassov