Bulgarien: 100 Jahre Theologische Fakultät Sofia
Am 10. März 2023 hat die Theologische Fakultät an der Sofioter Universität Kliment Ohridski ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert. Im Mittelpunkt der Jubiläumsveranstaltung stand der Vortrag von Dekan Ivajlo Najdenov, in dem er die geschichtliche Entwicklung und den heutigen Zustand der Einrichtung vorstellte. Daran schlossen sich Grussworte im Namen von Patriarch Neofit (er selbst war der letzte Rektor der Geistlichen Akademie und der erste Dekan der Theologischen Fakultät, als diese 1991 an die Universität zurückkehrte), von Präsident Rumen Radev und von Ministerpräsident Premiers Galab Donev an.
In seiner Rede erinnerte Prof. Najdenov daran, dass am 10.März 1923 die erste Fakultätsratssitzung stattgefunden hatte. An dieser wurde Stefan Zankov zum ersten Dekan gewählt. Zankov war ein in Zürich promovierter Kirchenrechtler, der besonders durch seine 1927 in Berlin gehaltenen Vorträge zum Thema „Das orthodoxe Christentum des Ostens: sein Wesen und seine gegenwärtige Gestalt“ (1928 als Buch herausgegeben) und als einer der wichtigsten Ökumeniker mit zahlreichen Kontakten im Ausland bekannt wurde. Die schwierigen Jahre der kommunistischen Herrschaft, als die Theologische Fakultät von der Universität abgetrennt war und 1951–1991 als Geistliche Akademie funktionierte, verglich der Dekan, der Alttestamentler ist, mit den 40 Jahren Wüstenwanderung des Volkes Gottes. Zum Schluss machte er einige Angaben über die gegenwärtige Lage der Theologischen Fakultät. Seit ihrer Wiedereingliederung in die Universität 1991 absolvierten sie 2188 Studierende. Die Gesamtzahl der hauptamtlich Lehrenden beträgt zurzeit 32 Lehrkräfte an vier Lehrstühlen, dazu 293 Studierende. In den letzten zehn Jahren machten 30 ausländische Studenten ihren Abschluss an der Fakultät, zurzeit sind acht immatrikuliert. In derselben Periode promovierten 64 Doktoranden erfolgreich, derzeit sind 32 Doktoranden eingeschrieben. Prof. Najdenov unterstrich die Bedeutung des seit 2016 eingeführten Studiengangs Theologie und Religion in Europa. Auch der Rektor der Universität, Prof. Anastas Gerdžikov, bezeichnete in seiner Rede diesen Studiengang als sehr notwendig und aktuell.
Zum Schluss der Feierlichkeiten wurden verdiente Fakultätsmitarbeiter ausgezeichnet, darunter auch Prof. Klara Toneva, die im Februar 2023 als erste Theologin Bulgariens habilitierte. Schwerpunkt ihrer Studien ist die Religionswissenschaft. Sie ist eine von fünf Frauen, die an der Fakultät unterrichten. Die Möglichkeit einer akademischen Karriere für Frauen an der Fakultät eröffnete sich erst nach 1991. Zwar sind sie im Lehrkörper noch nicht so zahlreich vertreten, dennoch wächst die Zahl der Frauen, die sich wissenschaftlich mit der Theologie beschäftigen. Zudem ist Prof. Ekaterina Damjanova Leiterin des Lehrstuhls für Bibelwissenschaften. Zu den Ehrengästen der Jubiläumsveranstaltung zählte auch Karl-Wilhelm Niebuhr, Seniorprofessor für Neues Testament an der Universität Jena und seit 2018 Ehrendoktor der Universität Sofia.
Dass für die Fakultätsleitung die Beschäftigung mit nicht-orthodoxen Theologien und Konfessionen ein wichtiger Punkt ist, zeigt auch die Vorbereitung von Dialogprojekten durch den Lehrstuhl für Systematische Theologie, die im Dezember 2023 starten sollen. Ein weiterer Punkt auf der Agenda der Fakultät ist die Vorbereitung von Fachleuten für diakonische Arbeit. Diesbezüglich hofft sie auf Kooperationsformen mit anderen Institutionen. Der Religionspädagogik wird ebenfalls ein sehr hoher Wert beigemessen, denn in den letzten Jahren gab es auf diesem Gebiet deutliche Fortschritte, da das Bildungsministerium die vorgestellten Lehrbücher genehmigt hat.
Das ganze Jahr hindurch sind Veranstaltungen anlässlich des Jubiläums geplant: Jeden Monat wird eine Panichida durchgeführt, an der an die Professoren gedacht wird, die in dem jeweiligen Monat verstorben sind. Es sind auch wissenschaftliche Konferenzen geplant, die sich unter anderem der Aufarbeitung der theologischen Entwicklung der Fakultät widmen. Eine Serie von Publikationen mit Vorträgen und Ergebnissen dieser Veranstaltungen ist vorgesehen. Den Höhepunkt der Feierlichkeiten wird das Patrozinium des Hl. Kliment von Ohrid am 25. November 2023 darstellen. Zu diesem Anlass ist auch eine Tagung geplant, deren Thema die Entwicklung der Fakultät in der nächsten Dekade sein wird.
Vladislav Atanassov