Bulgarien: Metropolt Daniil zum neuen Patriarchen gewählt
Das Landeskonzil der Bulgarischen Orthodoxen Kirche (BOK) hat den bisherigen Metropoliten von Vidin, Daniil (Nikolov), zum neuen Kirchenoberhaupt gewählt. An der Kirchenversammlung am 30. Juni 2024 nahmen Vertreter aller Diözesen, sowohl Laien als auch Geistliche, sowie Vertreter der theologischen Schulen teil. Den Teilnehmern standen drei Metropoliten zur Wahl, die am 20. Juni vom Hl. Synod nominiert worden waren. Im ersten Wahlgang erhielt der Metropolit von Vraca, Grigorij (Cvetkov), die meisten Stimmen. In der anschließenden Stichwahl unterstützten die Wähler des nach dem ersten Wahlgang ausgeschiedenen Kandidaten Gavriil (Dinev), des Metropoliten von Loveč, jedoch den Metropoliten von Vidin Daniil (Nikolov), offenbar wegen der vielen Ähnlichkeiten in den Ansichten der beiden Bischöfe. So erhielt der Metropolit von Vidin 69 Stimmen gegenüber 66 für Grigorij, wobei drei Stimmzettel ungültig waren.
Nach der Bekanntgabe der Wahl fand am selben Tag die Inthronisierung des neuen Patriarchen in der Patriarchatskathedrale des Hl. Alexander Newski statt. Anwesend waren der bulgarische Staatspräsident Rumen Radev, viele andere Politiker und Staatsmänner sowie Vertreter orthodoxer Lokalkirchen und anderer Religionsgemeinschaften. Der anwesende Ökumenische Patriarch Bartholomaios wie in seiner Glückwunschrede unter anderem darauf hin, dass derzeit „einige orthodoxe Brüder eine ungerechtfertigte Polemik gegen die Art der Zuständigkeiten des Erzbischofs von Konstantinopel entwickeln“, und bekräftigte, dass der Status des Patriarchats von Konstantinopel durch ökumenische Konzilien geregelt sei.
In seiner Ansprache umriss der neue Patriarch die Prioritäten seines künftigen Amtes: die Bewahrung der Reinheit des Glaubens, das Streben nach Einheit in der Kirche und die christliche Erziehung der Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf die Einführung des Religionsunterrichts in die Schulen.
Mit dem 52-jährigen Daniil gelangt ein Vertreter einer jüngeren Generation von Oberhirten auf den Patriarchenthron, deren kirchliche Laufbahn nach dem Fall des Kommunismus begann und die nicht mit Fragen nach ihrem Verhalten in dieser Zeit belastet sind. Daniil unterscheidet sich von seinen Vorgängern auch dadurch, dass er erst im Erwachsenenalter ein aktives kirchliches Leben zu führen begann. Er wurde 1972 geboren, studierte ein Jahr lang Anglistik, wechselte 1997 zum Theologiestudium und trat aber bald darauf in ein Kloster ein. 2008 wurde er Bischof, 2011–2018 war er Bischofsvikar in der Diözese USA, Kanada und Australien der BOK. 2018 wurde er zum Metropoliten der Diözese Vidin gewählt.
Als Metropolit vertrat Daniil extreme Positionen mit Blick auf die kirchliche Situation in der Ukraine. Er ist unter den bulgarischen hochrangigen Klerikern der deutlichste Befürworter des Kurses der Russischen Orthodoxen Kirche und kritisierte den Ökumenischen Patriarchen für die Anerkennung der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU). Im Vergleich zu anderen Metropoliten, die es ebenfalls nicht eilig haben, die OKU anzuerkennen, geht er jedoch noch viel weiter: In einem Interview am 2. Mai 2023 machte er sich Putins Narrative zu eigen und behauptete, dass es eigentlich keine ukrainische Nation gebe, und dass der ukrainische Staat von Lenin künstlich geschaffen worden sei. Dementsprechend wirft er einem Teil der Öffentlichkeit und Politikern vor, tendenziös zu sein, weil sie Russland als Aggressor behandeln. Er neigt auch zu Verschwörungstheorien und kommentiert das politische Leben in den USA, wobei er behauptet, dass die amerikanischen Eliten gegen Donald Trump kämpften, der ein Verfechter der Freiheit und des Patriotismus sei.
Diese extremen Positionen verhinderten jedoch nicht seine Wahl zum neuen Oberhaupt der BOK. Die Gründe für diese Wahl sind jedoch weniger in der Geopolitik als vielmehr im Innenleben der bulgarischen Kirche zu suchen. Die Spielchen und Skandale hinter den Kulissen im Zusammenhang mit der Wahl des neuen Metropoliten von Sliven in diesem Frühjahr haben bei vielen Gläubigen zu einer starken Unzufriedenheit geführt. In Metropolit Daniil, der eine von der Mehrheit des Hl. Synods abweichende Position vertrat, sahen sie einen Vorkämpfer für die Achtung der Stimme des Kirchenvolkes. Auch sein Image als bescheidener, asketischer Kleriker mit langer Klostererfahrung, der sich in verschiedenen Projekten und Initiativen im sozialen Bereich engagiert, spielte eine große Rolle.
Vladislav Atanassov