Bulgarien: Orthodoxe Kirche äußert Bedenken gegen neues Religionsgesetz
Das bulgarische Parlament hat am 11. Oktober gleich zwei Entwürfe für weitreichende Gesetzesänderungen am Religionsgesetz in erster Lesung verabschiedet. Sie wurden fast einstimmig angenommen, da alle Parteien in der Verabschiedung eines neuen Religionsgesetzes ein Mittel zur Stärkung der nationalen Sicherheit sehen. Der Staat will eine mögliche Beeinflussung radikaler oder terroristischer Organisationen aus dem Ausland unterbinden und hat sich daher bereit erklärt, seine Subventionen für die größten Glaubensgemeinschaften deutlich zu erhöhen und gesetzlich zu regeln.
Eine Woche vor der Abstimmung veröffentlichte der Hl. Synod der Bulgarischen Orthodoxen Kirche (BOK) grundlegende Bedenken gegen die Entwürfe (dies taten übrigens auch fast alle anderen Religionsgemeinschaften). Das kirchliche Leitungsgremium argumentierte, dass die Frage der nationalen Sicherheit Gegenstand anderer Gesetze sei, dass der Begriff „religiöser Radikalismus“ keine juristische Definition habe, und dass das jetzige Gesetz gut sei, denn es garantiere die Trennung von Staat und Religionen und die Nichteinmischung der weltlichen Macht.
Insbesondere kritisierten die Bischöfe die vorgesehene obligatorische finanzielle Berichterstattung an staatliche Organe. Darin sehen sie eine Einmischung des Staates in die inneren Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften, was eine Verletzung der Verfassung darstelle. Interessanterweise setzte sich der Hl. Synod auch für die kleineren Konfessionen ein, die ohne Finanzierung aus dem Ausland eingehen würden. Dabei hatte er immer wieder ausländische Mittel für andere Kirchen oder Glaubensgemeinschaften als unfairen Wettbewerb verurteilt.
Auf die Kritik des Hl. Synods traf sich Ministerpräsident Bojko Borisov mit der Kirchenleitung. Danach erklärte er, man wolle eine Arbeitsgruppe von Parlamentariern und Religionsvertretern gründen, um die kritischen Punkte des Gesetzes nachzuarbeiten: die Finanzierung durch das Ausland, die Transparenz der Spenden, die Tätigkeit der geistlichen Schulen, die Förderung der Eparchien im Ausland sowie den Status von Geistlichen, die keine bulgarischen Staatsbürger sind. Er machte auch klar, dass der Staat lediglich die Mittel aus seinem Haushalt oder aus europäischen Fonds kontrollieren wolle. Die Anonymität der Großspender soll auch in Zukunft unangetastet bleiben.
Doch die erste Lesung der Gesetzesentwürfe erfüllte nicht die Erwartungen der Religionsgemeinschaften. Zwar sind deutlich erhöhte Subventionen für Personal sowie für Bildung, Diakonie, Bau und Reparationen religiöser Gebäude vorgesehen. Dies betrifft allerdings nur Glaubensgemeinschaften, deren Gläubige mindestens 1 Prozent der bulgarischen Bevölkerung ausmachen – dies gilt nur für orthodoxe Christen und Muslime. Daher haben sowohl die römisch-katholische Kirche als auch mehrere evangelische Kirchen die Gesetzesänderungen kritisiert. Ebenfalls umstritten sind Spenden aus dem Ausland, die laut den Gesetzesentwürfen nur unter spezieller Genehmigung der Direktion für Glaubensbekenntnisse erfolgen dürfen. Diese Genehmigung brauchen auch nichtbulgarische Angestellte der Religionsinstitutionen. Auch die eingeforderte Transparenz von inländischen Spenden stört die Religionsgemeinschaften, die gleich danach erneut ihre Einwände äußerten und hoffen, dass ihre Einwände in der zweiten Lesung berücksichtigt werden.
Vladislav Atanassov, Studium der Theologie in Sofia und Heidelberg, wohnt in Nürtingen, Deutschland. Zurzeit arbeitet er an der Herausgabe eines Buches über die Geschichte der Bulgarischen Orthodoxen Kirche.