Türkei: "Grüner Patriarch" Bartholomaios wird 85
Der griechisch-orthodoxe Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel wird am Freitag, 28. Februar (eigentlich am 29. Februar) 85 Jahre alt. Als Nachfolger des Apostels Andreas trägt er den Titel „Ökumenischer Patriarch“, der ihn zum Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie mit ihren rund 300 Millionen Mitgliedern macht. Bartholomaios ist ein weltweit anerkannter Theologe und Ökumeniker. Sein Bemühen gilt der Einheit der Weltorthodoxie und dem Dialog mit anderen Kirchen. Letzteres gelingt ihm in den letzten Jahren freilich besser: Die ökumenischen Beziehungen sind gut, die Orthodoxie befindet sich hingegen in einer internen Krise.
Seit 1991 ist Bartholomaios Patriarch der einstigen römischen Kaiserstadt am Bosporus und damit das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie. Wie dieses Amt auszufüllen ist, gehört zu den innerorthodoxen Streitpunkten: Während Bartholomaios die Rolle Konstantinopels als „Mutterkirche“ der Orthodoxie stark betont und eine Koordinationsfunktion für die eigenständigen orthodoxen Kirchen beansprucht, wird ihm von Moskau und anderen Kirchen der Vorwurf gemacht, damit das katholische Organisationsmodell kopieren zu wollen.
Weltweite Anerkennung findet Bartholomaios indes für sein ökologisches Engagement, das ihm den Ehrennamen „Grüner Patriarch“ einbrachte. Der promovierte Kirchenrechtler, der sieben Sprachen spricht, ist zugleich ein wichtiger Gesprächspartner für Islam und Judentum. Der Sitz des Patriarchen, der „Phanar“, befindet sich in Istanbul.
Als Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie verfügt Bartholomaios über keinerlei direkte Jurisdiktionsbefugnisse über die nationalen Kirchen. Die türkischen Behörden erkennen zudem die gesamtorthodoxen Aufgaben des Patriarchats nicht an; sie sehen in Bartholomaios lediglich den obersten Seelsorger der wenigen tausend in der Türkei verbliebenen griechisch-orthodoxen Christen. Während deren Zahl stetig sinkt, sind dem Patriarchat jedoch direkt rund 3,5 Millionen Gläubige in Teilen von Griechenland sowie in der Diaspora in Nord- und Südamerika, Mittel- und Westeuropa sowie in Australien unterstellt.
Der Patriarch gilt als ökumenisch sehr aufgeschlossen. Mit Papst Benedikt XVI. (2005–2013), der ihn 2006 in Istanbul besuchte, sorgte der Patriarch für eine Wiederaufnahme der Einigungsgespräche zwischen katholischer und orthodoxer Kirche, die jahrzehntelang brach gelegen hatten. Mit Benedikts Nachfolger Franziskus gab Bartholomaios dem Gesprächsprozess weitere Impulse.
Zwischen den beiden stimmt auch die Chemie: Zuletzt wünschte Bartholomaios dem schwer erkrankten Papst in einem „herzlichen, brüderlichen Brief“ eine rasche Genesung. Schon oftmals besuchte der Patriarch den Papst im Vatikan und als Papst Franziskus 2014 in die Türkei reiste, war eine Visite im Phanar selbstverständlich. Legendär und wegweisend waren auch die gemeinsamen Besuche von Papst und Patriarch 2016 in Flüchtlingslagern auf der griechischen Insel Lesbos sowie 2014 in der Grabeskirche in Jerusalem. 2016 und 2018 nahm der Patriarch die Einladung des Papstes zu gemeinsamen Friedensgebeten in Assisi bzw. Bari an.
Papst und Patriarch haben sich auch immer wieder für ein gemeinsames Osterdatum aller Kirchen eingesetzt und sie wollen auch das Jubiläum „1700 Jahre Konzil von Nicäa (Nizäa)“, das dieses Jahr begangen wird, für weitere Fortschritte in der Ökumene nützen. In Nicäa, dem heutigen Iznik in der Türkei, wurde 325 das zentrale christliche Glaubensbekenntnis formuliert. Geplant – wenn auch nicht offiziell bestätigt – war, dass Bartholomaios und Franziskus den Konzilsfeierlichkeiten Ende Mai vor Ort gemeinsam vorstehen. Ob der Papst in die Türkei reisen kann, ist angesichts seiner aktuellen ersten Erkrankung freilich mehr als fraglich.
2016 wollte Bartholomaios mit dem Panorthodoxen Konzil auf Kreta der Weltorthodoxie neue spirituelle, pastorale und strukturelle Impulse geben, doch blieben vier Kirchen, darunter die Russisch Orthodoxe Kirche, dem Konzil fern. Der Konflikt mit Moskau wurde noch wesentlich dramatischer, nachdem der Patriarch der Orthodoxen Kirche der Ukraine Anfang 2018 die Unabhängigkeit (Autokephalie) verlieh. Aus vormals drei zerstrittenen Kirchen in der Ukraine wurden mit diesem Schritt zwei. Moskau brach in Folge die Kirchengemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchat ab.
Dieser Konflikt zwischen der russischen Kirche und Konstantinopel stellt auch die übrigen orthodoxen Kirchen vor eine Zerreißprobe. Manche stehen eher auf Seiten Konstantinopels, andere auf Seiten Moskaus, wieder andere versuchen die Balance zwischen beiden zu halten. Eine Entschärfung der Situation ist derzeit nicht in Sicht.
Nicht nur innerhalb der Orthodoxie, sondern auch in der Türkei hat Patriarch Bartholomaios keinen leichten Stand: Als er 1991 zum Patriarchen gewählt wurde, durfte in der orthodoxen Theologische Hochschule auf der Insel Chalki im Marmara-Meer auf Anordnung der türkischen Behörden schon seit 20 Jahren nicht mehr gelehrt werden; damit ist in der Türkei selbst seit fast 50 Jahren kein orthodoxer Priester mehr ausgebildet worden.
Das orthodoxe Priesterseminar von Chalki mit angeschlossener Theologischer Hochschule war bis zur Schließung durch den türkischen Staat 1971 die wichtigste theologische Einrichtung des Patriarchats von Konstantinopel und eine der führenden orthodoxen theologischen akademischen Stätten weltweit. Viele Theologen, Bischöfe und Patriarchen absolvierten dort ihr Studium, darunter auch der Ökumenische Patriarch Bartholomaios. 1971 wurde Chalki durch ein türkisches Gesetz geschlossen, das den Betrieb privater Universitäten untersagt.
Und damit fehlt der Nachwuchs, wobei es auch mit geöffneter Hochschule schon schwer genug wäre, dürfte es in der gesamten Türkei nicht mehr als höchsten 2500 bis 3000 griechisch-orthodoxe Christen geben. Viele ehemalige orthodoxe Kirchen werden vom türkischen Staat als Kulturdenkmäler angesehen, für die Feier eines Gottesdienstes braucht es spezielle Genehmigungen der Behörden.
Im Herbst 2024 hatten sich wieder einmal die Hinweise verdichtet, dass es mit einer Wiederaufnahme des Betriebs von Chalki nun ernst werden könnte. Zum Jahreswechsel war der Patriarch diesbezüglich sogar zu einem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zusammengetroffen. Seither ist es um Chalki allerdings wieder still geworden. Laut Quellen aus dem Ökumenischen Patriarchat könnte die Theologische Hochschule, falls die Genehmigung erteilt wird, innerhalb von zwei Jahren mit der Aufnahme von Studierenden beginnen. Dieser Zeitplan hängt von Restaurierungsarbeiten und der Klärung verschiedener administrativer und technischer Fragen ab. Das betrifft etwa die Ernennung von Lehrkräften und die Abwicklung der Aufnahmeverfahren.
Geboren wurde Bartholomaios am 29. Februar 1940 als Dimitrios Archondonis auf der türkischen Insel Imbros. Er studierte zuerst an der orthodoxen Hochschule von Chalki und absolvierte dann weiterführende Studien am Päpstlichen Institut für Orientalische Studien der Gregorianischen Universität Rom, danach am Ökumenischen Institut in Bossey in der Schweiz und an der Universität München. Er promovierte in Kirchenrecht.
Zwischenzeitlich wurde er 1961 zum Diakon geweiht und erhielt den Namen des Apostels Bartholomäus. Die Priesterweihe erfolgte 1969. In den Jahren 1968 bis 1972 war er Assistent des Direktors der Theologischen Hochschule von Chalki und danach bis 1990 Direktor des persönlichen Büros seines Vorgängers, des Ökumenischen Patriarchen Dimitrios. Im Jahre 1973 erfolgte seine Wahl zum Metropoliten von Philadelphia und im Jahre 1990 zum Metropoliten von Chalcedon.
Als Metropolit von Chalcedon wurde Bartholomaios 1990 ranghöchster Metropolit der Heiligen Synode und hatte den Vorsitz mehrerer Kommissionen, darunter die Bereiche Kirchenrecht und Ökumene. 1991 wurde er zum Ökumenischen Patriarchen und 270. Nachfolger des Apostels Andreas gewählt. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)