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OWEP 2/2022: Sinnsuche im 21. Jahrhundert

Glaube und Zweifel

Was gibt dem Leben von Menschen Sinn? Diese Frage steht im Mittelpunkt des aktuellen Heftes der Zeitschrift OST-WEST. Europäische Perspektiven – eine Frage, auf die es viele Antworten gibt, nicht nur religiöse. Die Planungen zu diesem Heft wurden wie vieles andere in den letzten Monaten von den aktuellen Ereignissen in der Ukraine überholt. Glaube und sein Pendant Zweifel, Sinn und Sinnlosigkeit treffen Menschen in der Situation des Krieges noch viel stärker als in scheinbar „normalen“ Zeiten, was in den Texten mehr oder weniger deutlich wird. Endgültige Antworten will und kann das Heft nicht bieten, vielleicht aber doch Gedankenanstöße.

Zwei grundlegende Beiträge eröffnen das Heft. Prof. Dr. Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer des Osteuropahilfswerks Renovabis, bietet eine religionsphilosophische Einführung in die Frage nach dem Sinn des Lebens. Der christliche Glaube kann eine Antwort auf die Sinnfrage geben, freilich muss man sich darauf einlassen. Prof. Dr. Heinz-Günther Stobbe, einer der bedeutendsten deutschen Friedensforscher, befasst sich konkret mit der Frage von Sinn und Glaube angesichts des Ukraine-Krieges, besonders mit dem uralten Theodizee-Dilemma: Wie lässt sich die Vorstellung von Gott als Schöpfer der Welt („und er sah, dass alles gut war“) mit dem Leid von Kriegsopfern, etwa Frauen und Kindern, vereinbaren? Eine Antwort vermag nur der Blick auf den gekreuzigten Jesus vermitteln, der selbst Leid und Tod erfahren hat – möglicherweise für viele ein schwacher Trost, aber doch auch so etwas wie „Hoffnung wider alle Hoffnung“.

In den beiden nächsten Texten des Heftes richtet sich der Blick direkt auf die Vorgeschichte des Krieges und die aktuelle Situation. Der in Berlin und Tbilissi lehrende Literaturwissenschaftler Dr. Zaal Andronikashvili zeichnet Leben und Werk seines georgischen Landsmanns, des Philosophen Merab Mamardaschwili nach, der in der Sowjetunion seit den 1960er Jahren die gesellschaftlichen Zustände kritisch analysierte und in der Gorbatschow-Ära frühzeitig darauf hinwies, dass ein rein politisch-wirtschaftlicher Umbruch der Gesellschaft ohne tiefgreifende geistige Veränderungen zu einer Wiederkehr der alten autoritären Strukturen führen werde. Die Entwicklung in einigen Staaten des ehemaligen Ostblocks, besonders aber in Russland, hat ihm leider Recht gegeben.

Eine große Rolle bei der Bewertung der Kriegsgeschehnisse kommt den Medien zu. Entscheidend ist die Anwesenheit von Journalisten vor Ort, um soweit wie möglich Manipulationen und Fake News zu verhindern, wie OWEP-Chefredakteurin Gemma Pörzgen in ihrem Beitrag darlegt.

Es gibt viele Ansätze, ein Leben sinnvoll oder Sinn-erfüllt zu gestalten. Der Aspekt „Glück“ spielt dabei eine nicht unwichtige Rolle, allerdings gilt auch die Aussage „Glück allein macht nicht glücklich“. Gemma Pörzgen hat dazu den Glücksforscher Dr. Nico Rose interviewt. Im Gespräch geht es um Glückshormone, „Helferglück“ und vieles mehr.

Die zweite Hälfte des Heftes besteht aus Beiträgen, in denen acht Personen ihren individuellen Zugang zu den Grundfragen oder auch Grunderfahrungen „Sinn“, „Glaube“, „Zweifel“ und „Glück“ beschreiben. Es handelt sich um ganz unterschiedliche Schicksale, die nicht den Anspruch des Repräsentativen erfüllen, wohl aber zum Nachdenken anregen. Manche Leserin und mancher Leser wird Parallelen zum eigenen Leben erkennen. Autoren der Beiträge sind die Kulturwissenschaftlerin Lidija Losowa (Ukraine), die z. Zt. im Exil in Deutschland lebt, die ebenfalls in Deutschland lebende Schriftstellerin Volha Hapeyeva aus Belarus, dann – ihr Bericht aus Odessa ist ein dramatisches Zeitdokument – die Lehrerin Karina Beigelzimer (Ukraine), die Fotografin und Therapeutin Beata Frysztacka (Polen), die Germanistin Violeta Kyoseva (Bulgarien), der Historiker Dr. Matěj Spurný (Tschechien), der Priester und Theologiedozent Prof. Dr. Anton Tamarut (Kroatien) und die Dozentin für Rechtswissenschaften Prof. Dr.  Andrea Zakar (Ungarn/Rumänien).

Abgeschlossen wird das Heft mit Hinweisen zu weiterführender Lektüre.

Ein Ausblick auf Heft 3/2022, das im August erscheinen wird: Unter dem Titel „Zeitenwende in Europa: Das Ende der Nachkriegsordnung“ wird es sich mit den politischen und gesellschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges befassen.

An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Worte in eigener Sache anfügen. Am 30. Juni 2022 scheide ich nach 21 Jahren aus dem aktiven Dienst bei Renovabis aus. Damit endet auch meine Tätigkeit als Redakteur vom Dienst von OST-WEST. Europäische Perspektiven. Ich werde der Zeitschrift, die ich in mehr als 80 Ausgaben betreuen durfte, weiterhin verbunden bleiben und würde mich freuen, wenn auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, ihr in diesen bewegten und unsicheren Zeiten die Treue halten.

Das ausführliche Inhaltsverzeichnis und ein Beitrag im Volltext finden sich unter www.owep.de. Das Heft kann für € 6,50 (zzgl. Versandkosten) unter www.owep.de bestellt werden.