Skip to main content

Statement der Gruppe „Christliche Vision“ des Koordinierungsrats für Belarus

17. September 2020

Die Arbeitsgruppe „Christliche Vision“ des Koordinierungsrats ist eine informelle, interkonfessionelle Gruppe einiger Mitglieder des Koordinierungsrats. Sie wurde am 9. September eingerichtet, um die gemeinsamen Aktivitäten von Christen zur Erreichung des Hauptziels des Rats zu koordinieren: die politische Krise zu lösen und in der Gesellschaft einen Konsens auf der Grundlage der Verfassung zu erreichen. Es ist notwendig, Frieden, Rechtstaatlichkeit und Demokratie im Land wiederherzustellen. Dies erfordert Respekt für grundlegende Menschenrechte und Freiheiten sowie die Würde aller.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist es daher nötig:

1. Unverzüglich die Gewalt und politische Verfolgung durch die Behörden zu beenden. Eine Untersuchung der Gewalttaten und politischen Verfolgung in Übereinstimmung mit dem Gesetz durchzuführen.

2. Alle politischen Gefangenen freizulassen, die Aufhebung der illegalen gerichtlichen Anordnungen sicherzustellen und allen Opfern illegaler Verfolgung Kompensationszahlungen zur Verfügung zu stellen.

3. Die Wahlen vom 9. August 2020 für nichtig zu erklären und eine neue Wahl entsprechend internationalen Standards durchzuführen. Für alle Wahlkommissionen, auch die Zentrale Wahlkommission, sollten neue Mitglieder bestimmt werden.

Außerdem möchte die Arbeitsgruppe „Christliche Vision“ des Koordinierungsrats auf die zahlreichen Verletzungen des verfassungsmäßigen Rechts der Bürger auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie auf die politisch motivierte Verfolgung von religiösen Anführern und Organisationen aufmerksam machen.

Insbesondere bemerken wir:

- direkten Druck von Regierungsstellen auf Priester und Angestellte von religiösen Organisationen der Belarussischen Orthodoxen Kirche, die in den sozialen Netzwerken das Bild „Orthodoxe sind gegen Fälschungen, Erniedrigung und Druck auf Individuen“ veröffentlichen sowie Statements und Posts zur Unterstützung von Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz, dem die Rückkehr in sein eigenes Land, Belarus, verwehrt wird;

- indirekten Druck von Regierungsstellen, der durch die Kirchenleitung auf Priester und Angestellte von religiösen Organisationen der Belarussischen Orthodoxen Kirche ausgeübt wird, weil diese in den sozialen Netzwerken das Bild „Orthodoxe sind gegen Fälschungen, Erniedrigung und Druck auf Individuen“ veröffentlicht haben und andere Statements, mit denen sie sich gegen die Fälschung der Präsidentschaftswahl, Gewalt gegen Bürger durch Sicherheitskräfte und Verletzungen von Menschenrechten und Freiheiten stellen;

- dass die Regierung Hindernisse für Geistliche schafft, die ihre religiösen Aktivitäten fortsetzen. So wurde dem katholischen Priester Jerzy Wilk am 4. September die staatliche Zulassung für religiöse Aktivitäten in seiner Gemeinde (Hl. Michael der Erzengel im Dorf Varapaeva, Distrikt Pastavy, Region Vitebsk) entzogen;

- dass die Regierung Hindernisse für die Aktivitäten religiöser Gemeinschaften schafft. Beispielsweise die Blockade der Türen der katholischen Kirche der Hl. Simon und Helena (als Rote Kirche bekannt) durch die Polizei am 26. August. Am 31. August wurden die Schlösser dieser Kirche von den Behörden ohne Erlaubnis der Gemeinde ausgewechselt;

- ein illegales Einreiseverbot für Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz, einen belarussischen Bürger und Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in Belarus, am 31. August. Dies verletzt Belarus‘ internationale Verpflichtungen (Internationales Abkommen über Bürger- und politische Rechte, Art. 12 „Bewegungsfreiheit“), die Verfassung (Art. 30 „Bürger [...] sollen das Recht haben [...] es [Belarus] ohne Behinderung zu verlassen und zurückzukehren“) und das Gesetz der Republik Belarus Nr. 49-3 vom 20. September 2009 („Über das Prozedere der Aus- und Einreise in die Republik von Belarus durch Bürger der Republik Belarus“, Art. 3). Dieses Verbot ist auch ein Akt der Unterdrückung sowohl gegen ein religiöses Oberhaupt als Individuum als auch gegen eine religiöse Gemeinschaft als Ganzes.

Die Arbeitsgruppe „Christliche Vision“ des Koordinierungsrats drückt ihre Solidarität mit allen Opfern politischer Verfolgung in unserem Land aus. Wir appellieren an die Behörden, sofort die Gewalt zu beenden und einen Dialog mit der Zivilgesellschaft zu beginnen. Wir sind zuversichtlich, dass die Kirchen einen positiven Beitrag zur Überwindung der Krise unseres Landes leisten und einen Dialog zwischen der Zivilgesellschaft und den Behörden befördern können.

Die Gruppe „Christliche Vision“ wird alle Fälle von politischer Verfolgung in Bezug auf unzulässige Einschränkungen der Religions- und Glaubensfreiheit überwachen. Die Gruppe wird auch die internationale Gemeinschaft über solche Fälle informieren.

Wir bitten die internationale christliche Gemeinschaft und die Kirchen, ebenfalls ihre Solidarität mit dem belarussischen Volk auszudrücken.

11. September 2020
(Quelle: www.baznica.info, 11. September 2020)

Bild: Homoatrox (Wikimedia Commons)