Zum Hauptinhalt springen

Wanda Falk zur evangelischen Kirche und Diakonie in Polen

17. August 2017
In Polen stellt die evangelische Kirche eine kleine Minderheitenkirche dar. Wie ist die Kirche aufgebaut, und was sind die Aufgaben der polnischen Diakonie?
Polen hat 38 Mio. Einwohner, davon sind fast 95% römisch-katholisch. Die zweitgrößte Kirche ist die Polnische Autokephale Orthodoxe Kirche und die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen ist die drittgrößte Kirche. Die Kirche zählt ca. 70.000 Mitglieder, was etwa 0,2% der Gesamtbevölkerung in Polen entspricht. Wir sind also eine Diasporakirche, aber eine sehr aktive Kirche hinsichtlich Mission, Seelsorge und Diakonie. Gegliedert ist unsere Kirche in sechs Diözesen, mit einem Leitenden Bischof an der Spitze der Kirche. Die Diakonie ist so aufgebaut, dass es in jeder Diözese eine Diözesandiakonie gibt, dazu kommt noch das Hauptbüro für die ganze Diakonie in Warschau. Im Fokus unserer Arbeit stehen insbesondere drei Gruppe: Familien mit Kindern, Seniorinnen und Senioren sowie behinderte Menschen. Doch an uns können sich alle wenden, die Hilfe und Unterstützung benötigen, und wir versuchen, ihnen zu helfen. Unter den Projekten gibt es zwei, die ökumenisch und gemeinsam mit Caritas Polska, ELEOS der Polnischen Orthodoxen Kirche und der Diakonie der Evangelisch-Reformierten Kirche organisiert werden: das Weihnachtshilfswerk für Kinder und die Diakonische Sammelbüchse in der Passionszeit. In unserer Arbeit versuchen wir immer für die Menschen da zu sein und auf Notsituationen zu reagieren.

In ihrer Arbeit unterstützen Sie polnische Arbeitsmigranten und deren Angehörige. Vor welchen Problemen stehen die Arbeitsmigranten, und wie versuchen Sie ihnen zu helfen?
Gemäß statistischen Angaben leben und arbeiten derzeit 2,4 Mio. Polen im Ausland. Die Arbeitsmigration bringt natürlich auch verschiedene Probleme mit sich. Wir als Diakonie setzen uns dabei insbesondere für Frauen ein, die im Ausland arbeiten. Laut Schätzungen gibt es z.B. allein in Deutschland ca. 80.000 polnische Arbeitsmigrantinnen. In einem Pilotprojekt mit dem Diakonischen Werk Württemberg haben wir deshalb eine Beratung für diese Frauen aufgebaut. Das Projekt ist zwar schon seit zwei Jahren abgeschlossen, doch hat es uns geholfen, unseren Horizont zu erweitern und besser auf die Herausforderungen dieser Frauen eingehen zu können. Aus diesem Projekt ist in Zusammenarbeit mit dem Gustav-Adolf-Werk ein weiteres Projekt mit dem Titel „Hilfe für Eurowaisenkinder“ entstanden. Denn wir haben beobachtet, dass vor allem die Kinder von den negativen Folgen der Arbeitsmigration bedroht sind. Häufig bleiben sie bei den Großeltern, den Geschwistern oder sie werden von den Nachbarn unterstützt, während die Eltern im Ausland arbeiten. Die Kinder wissen zwar, dass sie von ihren Eltern im Ausland finanziell unterstützt werden, aber natürlich fehlt ihnen der Kontakt zu den Eltern und deren Liebe. Die Diakonie koordiniert in fünf Gemeinden das Projekt, in einem Fall in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Mission und Evangelisation. Diese Gemeinden haben sich zum Ziel gesetzt, die Eurowaisenkinder zu unterstützen, und Tagesstätten für die Kinder errichtet. Ein besonderes Augenmerk gilt auch alleinerziehenden Müttern, wenn der Mann im Ausland arbeitet. Wir bieten auch psychologische Unterstützung an, weil viele Ehepaare unter der räumlichen Trennung leiden und Ehescheidungen keine Seltenheit sind.

2017 ist das Jahr des Reformationsjubiläums. Wie feiern die polnischen Lutheraner 500 Jahre Reformation?
Ich denke, dass unsere Kirche nicht nur sich selbst durch das Reformationsjubiläum präsentiert, sondern auch aufzuzeigen versucht, wie wichtig die Reformation für unser Land gewesen ist. Polen ist zwar heute ein mehrheitlich katholisches Land, doch hat die Reformation Literatur, Kultur und viele weitere Bereiche des Lebens beeinflusst. Das Jubiläum ist ein Glaubensfest, das an Jesus Christus orientiert ist. Es ist auch die Gelegenheit, über die Bedeutung der Reformation heute zu sprechen und auch die lutherische Präsenz in der Kirche und der Gesellschaft zu unterstreichen. Wir organisieren verschiedene Veranstaltungen mit Bezug auf das Reformationsjubiläum. Im Oktober wird beispielsweise eine große Veranstaltung stattfinden, deren Schirmherrschaft der polnische Präsident Andrzej Duda übernommen hat.

Wanda Falk ist Generaldirektorin der Diakonie der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen.