Skip to main content

Stimmen zum Kyjiwer Höhlenkloster: Oleksandr Klymenko

23. März 2023

Oleksandr Klymenko
Vorherbestimmter Konflikt: UOK ignoriert Anliegen der Zivilgesellschaft

Formeller Grund für die Auflösung der Nutzungsvereinbarung zwischen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) und dem Staat, vertreten durch das Kulturministerium, sind Verletzungen der Pachtbedingungen durch die Pächterin: Unerlaubtes Bauen auf dem Areal des UNESCO-Weltkulturerbes. Der Verlust des Höhlenklosters ist jedoch das Ergebnis einer langjährigen kurzsichtigen Strategie der UOK. Der Hauptfehler der UOK war die Orientierung an den Interessen der Staatsmacht, die in einer byzantinischen Servilität wurzelt und für die ganze postsowjetische Orthodoxie charakteristisch ist. Kurzfristig trug diese Strategie Früchte und erlaubte es der UOK, während der Regierungszeiten der Präsidenten Leonid Kutschma und Viktor Janukovytsch deutlich stärker zu werden.

Mit der Majdan-Revolution und der Veränderung des geopolitischen Kurses der Ukraine führte diese Strategie zu Druck auf die UOK (jedoch keinesfalls zu ihrer Verfolgung!). Das Ausrichten auf Entscheidungen hinter verschlossenen Türen in den Büros der Staatsmacht, das Ignorieren der Rolle der Zivilgesellschaft und deren Einfluss sowie das Nichtverstehen, wie der Staat seit dem Majdan funktioniert, haben zu den Konsequenzen geführt, mit denen die UOK gegenwärtig konfrontiert ist. Die passive Mehrheit der Gemeindemitglieder wurde im Geist eines schweigenden Gehorsams erzogen. Ohne Mitspracherecht in kirchlichen Fragen konnten die Gemeindemitglieder zivilen Aktivisten nicht entgegentreten und auch nicht die mediale Agenda beeinflussen. Die hierarchische Struktur der Kirchenverwaltung, bei der der Bischof eher an einen postsowjetischen Oligarchen erinnert, ist dem demokratischen Ideal der ukrainischen Gesellschaft, die sich in einem ständigen Konflikt mit der Oligarchentum befindet, fremd. Dies und das Unvermögen oder der Unwille, eine klare und vernehmliche Position zur russischen Aggression einzunehmen sowie einen sicheren Abstand vom Moskauer Patriarchat einzunehmen, hat den Konflikt vorherbestimmt.

Zum Verständnis der Situation ist wichtig, dass der UOK das Kyjiwer Höhlenkloster nicht gehört, sondern sie es nur gepachtet hat. Das Kloster gehört rechtlich gesehen dem Staat, es ist Teil des kulturell-historischen Erbes des ganzen ukrainischen Volks. Insbesondere der Zivilgesellschaft ist ein sorgsamer Umgang mit diesem Erbe wichtig und sie reagiert auf jegliche Änderungsversuche der architektonischen oder künstlerischen Erscheinung des Klosterensembles äußerst empfindlich. Ein zu wenig respektvolles Verhältnis zum Architekturerbe ist ein generelles Problem in der Ukraine, die von ständigen Konflikten zwischen Kulturaktivisten und Bauherren erschüttert wird. Diese Auseinandersetzung prägt auch das Verhältnis der Gesellschaft zu neuen Bauten in der Lavra.

Die UOK oder genauer Metropolit Pavlo (Lebid) betrachtet die Lavra hingegen als sein persönliches Eigentum. Metropolit Onufrij (Berezovskij), das Oberhaupt der UOK, hat sich dagegen merklich von den Problemen der Lavra distanziert. Ohne ausreichende Bildung lässt sich Metropolit Pavel von rein praktischen wirtschaftlichen Erwägungen leiten. Ein ehrfürchtiges Verhältnis zur Geschichte war nie seine Stärke. Durch sein Ignorieren der Ansichten der Zivilgesellschaft und von Experten und Kunsthistorikern, seine endlosen Konflikte mit den Museen, die sich auf dem Areal des Komplexes befinden, sowie mit der räuberischen Besetzung von Gebäuden hat er die Aufmerksamkeit der Presse erregt und sich so in ein öffentliches – negatives – Gesicht der UOK verwandelt. Die richtige Entscheidung seitens der Kirchenleitung wäre zweifellos eine rechtzeitige Ablösung von Pavel durch eine weniger anrüchige Figur gewesen.

Die Auflösung des Pachtvertrags ist eher eine Reaktion auf ein gesellschaftliches Bedürfnis als eine Initiative der Regierung selbst. Vor allem ist sie eine Reaktion von Populisten, die die Möglichkeit sehen, zusätzliche Pluspunkte zu gewinnen und ihre Position zu stärken, indem sie das patriotische Stimmvolk und die Zivilgesellschaft unterstützen, die mehrheitlich der UOK gegenüber äußerst kritisch eingestellt sind. Vielleicht wird der Verlust der Lavra der UOK nützen und ihr helfen, sich zu transformieren und endlich einen systematischen Dialog mit dem aktivsten Teil der ukrainischen Gesellschaft aufzunehmen, die oft der beste Schutz vor staatlicher Willkür ist. Möglicherweise ist er aber auch nur ein weiterer Schritt zur Marginalisierung dieser kirchlichen Struktur und ihrer Verwandlung in eine Sekte. Auf jeden Fall ist das Ganze eine Lehre für alle künftigen Pächter. Ob sie die richtigen Schlüsse daraus ziehen und ihnen das helfen wird, das Verhältnis kirchlicher Strukturen zum kulturell-historischen Erbe der ganzen Ukraine zu ändern, bleibt eine offene Frage.

Oleksandr Klymenko, Ikonenschreiber und Initiator des Projekts „Ikonen auf Munitionskisten“, Lehrtätigkeit am Staatlichen Institut für dekorative Kunst und Design in Kyjiw.

Übersetzung aus dem Russischen: Natalija Zenger.