Nachruf auf Professor Dr. Dr. h.c. mult. Martin Tamcke (a.D.) (22.6.1955–02.11.2024)
Nach längerer Krankheit ist am 2. November 2024 Martin Tamcke verstorben. Für die Theologische Fakultät ist sein Tod ein schmerzlicher Verlust. Martin Tamcke war bereits seit seinem Studium der Philosophie, Orientalistik und Evangelischen Theologie (1975–1981) und seiner Zeit als Repetent für Ostkirchengeschichte (1981–1984) mit der Göttinger Universität verbunden. Nach Stationen in Marburg, wo er seine Dissertation und Habilitation verfasst hat, und in Hermannsburg, wo er von 1994–1999 als Dozent für Kirchengeschichte lehrte, ist er 1999 nach Göttingen zurückgekehrt und hat hier bis zum Jahre 2021 die Professur für Ökumenische Theologie unter besonderer Berücksichtigung der orientalischen Kirchen- und Missionsgeschichte übernommen. In dieser Position hat er die Göttinger Tradition der Ostkirchenkunde nicht nur fortgeführt, sondern zu einer neuen Blüte gebracht. Martin Tamcke kann als einer der bekanntesten und wichtigsten Ostkirchenkundler der Gegenwart gelten, auch international hat er großes Ansehen genossen.
Zu den Schwerpunkten seiner Forschung gehörte die syrische Kirchengeschichte; für viele Jahre war er Vorsitzender des deutschen Syrologen Symposiums und hat in der renommierten wissenschaftlichen Reihe der „Göttinger Orientforschungen“ die „1. Reihe: Syriaca“ als Herausgeber verantwortet. Da die Geschichte und Gegenwart des orientalischen Christentums nicht ohne Bezug zum Islam verstanden werden kann, hat er dieses Thema zu einem weiteren Schwerpunkt seiner Forschung gemacht. Einschlägig wurde hier sein Band „Christen in der islamischen Welt. Von Mohammed bis zur Gegenwart“ (2008). Über das orientalisch-orthodoxe Christentum hinaus hat Martin Tamcke auch das byzantinisch-orthodoxe Christentum in den Blick genommen. Mit seinen zahlreichen Publikationen hat er dabei nicht nur solide und verständliche Einführungen in eine für das westliche Christentum oft fremde Welt gegeben, wovon etwa seine Darstellungen „Im Geist des Ostens Leben. Orthodoxe Spiritualität und ihre Aufnahme im Westen“ (2008) oder „Das orthodoxe Christentum“ (32017) Zeugnis geben. Es war ihm vielmehr stets auch ein Anliegen, auf die politisch oft prekäre Lage des orthodoxen Christentums in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens, in Ägypten, in Äthiopien, in Armenien und die damit verbundenen Migrationsphänomene aufmerksam zu machen.
Martin Tamckes akademische Tätigkeit war begleitet von der Einsicht, dass zu einem tieferen Verständnis des orthodoxen Christentums die lebendige Begegnung mit seinen Vertretern gehört. Er ist deshalb viel gereist und hat ein weit verzweigtes internationales Netzwerk mit etwa 40 Partneruniversitäten aufgebaut. Zugleich hat er dafür Sorge getragen, dass internationale Begegnungen in Göttingen möglich sind, indem er die Studiengänge „Intercultural Theology“ und „Eurocultures“ mitbegründet und über viele Jahre geleitet hat. Eng verbunden war er mit dem Programm „Studium im Mittleren Osten“ (SIMO), das Studierenden einen Studienaufenthalt an der Near East School of Theology in Beirut ermöglicht. Als akademischer Lehrer hat er Generationen von Studierenden die Welt des orthodoxen Christentums in eindrücklicher Weise erschlossen und zahlreiche Doktoranden betreut.
Schließlich hat sich Martin Tamcke auch in ökumenische Gespräche eingebracht, er gehörte der EKD-Konsultationsgruppe mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen und der Kommission für den Dialog der EKD mit der Russischen Orthodoxen Kirche an.
Für sein vielfältiges Engagement hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät an der Universität in Joensuu (2009), der Åbo Akademi University in Turku (2014), der Lucian-Blaga-Universität in Sibiu (2017) und der Mahatma-Gandhi-Universität in Kottayam (2018), auch wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen (2016).
Die Theologische Fakultät trauert um ihren verstorbenen Kollegen und wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Prof. Dr. Jennifer Wasmuth, Ökumenische Theologie
Prof. Dr. Martin Laube, Dekan