Österreich: Zehn Jahre orthodoxe Bischofskonferenz
Vor zehn Jahren, am 8. Oktober 2010, fand die konstituierende Sitzung der Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich statt. Unter dem Vorsitz des damaligen Metropoliten von Austria, Michael (Staikos), nahmen an der Sitzung in Wien die Spitzenvertreter der sieben in Österreich vertretenen orthodoxen Kirchen teil. Die orthodoxe Bischofskonferenz ist das höchste Gremium der Orthodoxen Kirche in Österreich. Sie vertritt die Kirche gegenüber dem Staat Österreich und seinen Behörden. Zugleich ist die Bischofskonferenz für gesamtösterreichische Aktivitäten zuständig. Das betrifft vor allem den Religionsunterricht, die Militär- und Krankenhausseelsorge sowie die Jugendarbeit.
Metropolit Staikos hatte vor zehn Jahren im Anschluss an die erste Sitzung von einem „historischen Tag in der rund 300-jährigen Geschichte der orthodoxen Kirche in Österreich“ gesprochen. Zum ersten Mal sei es zu einer Versammlung aller im Land wirkenden Bischöfe bzw. deren Vertretern gekommen. Staikos plädierte eindringlich für eine Intensivierung der Zusammenarbeit unter den orthodoxen Kirchen und eine Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls, damit ein einheitliches orthodoxes Zeugnis in Österreich möglich sei. Staikos stand der Bischofskonferenz bis zu seinem Tod im Oktober 2011 vor. Seither hat sein Nachfolger Metropolit Arsenios (Kardamakis) diese Position inne.
Die Zahl der orthodoxen Christen in Österreich kann nur geschätzt werden, genaue Zahlen gibt es nicht. Die Angaben reichen von 450‘000 bis zu 700‘000, wobei letztere Angabe wohl sicher zu hoch gegriffen ist. Metropolit Arsenios sprach im Sommer in einem Interview mit dem Wiener Diplomatie-Magazin Society von 600‘000 Orthodoxen im Land.
Die Errichtung der Orthodoxen Bischofskonferenz ist einer schon länger andauernden Entwicklung in der Orthodoxie geschuldet, die eine Anpassung der kirchlichen Strukturen an die Moderne erforderte. Zugleich handelt es sich um einen Kompromiss.
Aufgrund der großen gesellschaftspolitischen Veränderungen des 19. und vor allem 20. Jahrhunderts mit der Entstehung neuer Staaten und großen Migrationsbewegungen sah und sieht sich die orthodoxe Kirche gezwungen, ihre traditionelle jurisdiktionelle Einteilung zu reformieren. Ist die Orthodoxie in den traditionellen Herkunftsländern weitgehend national-einheitlich strukturiert und geprägt, taugt dieses Rezept für die Diaspora nicht mehr. Orthodoxe Gläubige emigrierten in so gut wie alle Länder der Welt, die entsprechenden orthodoxen Landeskirchen zogen nach, sodass sich in Ländern der Diaspora allmählich Parallelstrukturen (Pfarren, Diözesen, Bischofssitze) mehrerer orthodoxer Kirchen entwickelten.
In Österreich sind es eben sieben Kirchen, wobei drei auch ihre Bischofssitze in Österreich/Wien haben: das Ökumenische Patriarchat, die Russische Orthodoxe Kirche und die Serbische Orthodoxe Kirche. Die Bischofssitze der vier anderen Kirchen (Patriarchat von Antiochien, Bulgarische Orthodoxe, Rumänische Orthodoxe und Georgische Orthodoxe Kirche) befinden sich in Deutschland.
Diese Situation ist einerseits historisch gewachsen, entspricht zum anderen aber nicht ganz der traditionellen orthodoxen kirchlichen Lehre. Im Hintergrund steht die jahrzehntelange Diskussion, ob für die orthodoxe Diaspora das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel allein zuständig sein soll, wie das schon ein Beschluss des Konzils von Chalcedon aus dem Jahr 451 nahe legt, oder ob die gegenwärtige Praxis der Leitung jeder Diasporadiözese durch die jeweilige Mutterkirche beibehalten wird.
Nach einem längeren Diskussionsprozess einigte man sich schließlich bei einer Konferenz im schweizerischen Chambesy im Juni 2009 auf folgenden Weg: Konstantinopel akzeptiert die Diasporabischöfe bzw. -strukturen der verschiedenen orthodoxen Kirchen. Doch werden diese in den Diasporaländern in Bischofsversammlungen zusammengefasst. Den Vorsitz in den neuen Bischofsversammlungen soll jeweils der örtlich dienstälteste Bischof des Ökumenischen Patriarchats übernehmen. Wenn es keinen solchen gibt, geht der Vorsitz an den jeweils dienstältesten Bischof des nächsten Patriarchats auf der orthodoxen Ehrenliste über. Die internen Rechte der einzelnen orthodoxen Diözesanbischöfe werden durch die Bischofskonferenz freilich nicht beschnitten.
Bis 2017 gab es zwei Mal pro Jahr Vollversammlungen der Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich, seit 2018 nur mehr einmal. Abseits der Vollversammlungen wurden thematische Kommissionen, die jeweils von einem Bischof geleitet werden, für das „Tagesgeschäft“ eingerichtet, so für die Themenbereiche Bildung, Liturgie, Theologie, Jugend und Ökumene.
Beeinträchtigt wird die Arbeit der Bischofskonferenz in den vergangenen Jahren durch den Konflikt zwischen dem Moskauer Patriarchat und dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel um die Ukraine. So hat Moskau 2018 alle offiziellen Kontakte zum Ökumenischen Patriarchat abgebrochen. Seither nimmt auch kein Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche an den Sitzungen der Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich teil. Das wirkt sich natürlich auch auf das gemeinsame orthodoxe Zeugnis nach außen negativ aus.
Ein positiver Höhepunkt in der Geschichte der Orthodoxen Bischofskonferenz war hingegen die gemeinsame Tagung mit der katholischen Österreichischen Bischofskonferenz am 4. November 2019 in Wien. Der Austausch über kirchliche und gesellschaftspolitische Fragen wurde von beiden Seiten als sehr bereichernd empfunden, der auf die eine oder andere Weise fortgesetzt werden solle, wie Kardinal Christoph Schönborn und Metropolit Arsenios im Anschluss bekräftigten.
Wie notwendig und sinnvoll eine gesamtorthodoxe Einrichtung wie die Bischofskonferenz aber jedenfalls ist, hat sich seit dem Frühjahr 2020 im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gezeigt. Hier war – und ist – eine rasche und verbindliche Kommunikation einerseits zwischen den staatlichen Behörden und der Orthodoxie und andererseits innerhalb der orthodoxen Kirchen unabdingbar.
Ein kleiner Schönheitsfehler zum Zehn-Jahres-Jubiläum: Die eigentlich für 5. Oktober anberaumte Vollversammlung der orthodoxen Bischöfe musste Corona-bedingt abgesagt werden. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)