Deutschland: Einen „Denkraum des Friedens“ gestalten, betont Regina Elsner bei Antrittsvorlesung
Vor welchen Herausforderungen steht die Ökumenische Theologie durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Antrittsvorlesung von Regina Elsner als Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Katholisch-Theologischen Fakultät. Seit Januar 2024 ist Regina Elsner Lehrstuhlinhaberin am Ökumenischen Institut.
Der Titel der Antrittsvorlesung am 4. Juli 2025 lautete „Das ist (nicht) unser Krieg – Denkanstöße für eine (Neu)Verortung der Ökumenischen Theologie nach Russlands Angriff auf die Ukraine.“ 130 Gäste kamen in den Hörsaal KTh I, darunter Studierende, Mitarbeitende, Emeriti, Kollegi:nnen aus anderen Fachbereichen und Universitäten sowie Freunde und Familie.
Dekan Prof. Dr. Oliver Dyma unterstrich in seiner Begrüßung die Bedeutung der öffentlich sichtbaren theologischen Expertise, mit der Regina Elsner seit vielen Jahren zum Verständnis der Rolle der Kirchen in Osteuropas Gesellschaften beiträgt. Als wichtige Stationen der akademischen Biografie von Regina Elsner erwähnte er unter anderem ihre Tätigkeit im BMBF-geförderten Projekt „Institutionen und institutioneller Wandel im Postsozialismus“ sowie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) in Berlin.
In ihrem Vortrag beschrieb Regina Elsner die Herausforderungen, vor denen die Ökumenische Theologie gemeinsam mit der Ökumenischen Bewegung aktuell steht. Die aktive Unterstützung von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine durch die Russische Orthodoxe Kirche habe neben der massiven Zerstörung in der Ukraine selbst auch „einen Trümmerhaufen ökumenischer Paradigmen wie Wahrheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde“ hinterlassen.
In vieler Hinsicht ziele die russisch-orthodoxe Kriegsideologie auf eine Zerstörung der Grundlagen, auf denen Ökumene seit Jahrzehnten aufgebaut wurde, so dass es nicht möglich sei, diesen Krieg als etwas Peripheres zu betrachten. Regina Elsner betonte, dass „Russlands Krieg aktiv und gezielt mit Themen, Triggern und Feindbildern arbeitet, die durch die Russische Orthodoxe Kirche im ökumenischen Feld entwickelt, vernetzt und verbreitet wurden.“ Eine Aufarbeitung des eigenen Verhältnisses zur liberalen Ordnung, zum Umgang mit Geschichte und zu identitären konfessionellen Abgrenzungsprozessen könne der Ökumenischen Theologie helfen, die Verflechtungen von ökumenischen Beziehungen und Russlands religiöser Kriegsstrategie besser zu verstehen.
Allerdings, so Regina Elsner, lässt eine solche Aufarbeitung auch erkennen, wie Ökumenische Theologie Resilienzen gegen die Vereinnahmung theologischer Paradigmen entwickeln könne. In ihrer Skizzierung von „Orten Ökumenischer Theologie im Krieg“ erinnerte sie an die ursprüngliche Ausrichtung der Ökumene an der gemeinsamen christlichen Erschütterung über den Ersten Weltkrieg sowie an die Angewiesenheit Ökumenischer Theologie auf das Kontextwissen der unterschiedlichen Konfessionen in ihrer Vielfalt und auf die Grenzüberschreitung in regionaler und disziplinärer Hinsicht.
Jenseits von kirchlich-diplomatischen Protokollen könne Ökumenische Theologie als „Solidarität der Erschütterten“ (Tatiana Shchytsova) einen neuen Rahmen für Ökumene erarbeiten, der nicht auf den konfessionellen Identitäten aufbaut, sondern auf der „gemeinsamen christlichen Identität als die Fähigkeit, sich durch theologisch begründete Gewalt in den eigenen Glaubensfundamenten erschüttern zu lassen“. Eine enge Vernetzung mit all denen, die diese Gewalt direkt erleben, sowie eine interdisziplinäre Offenheit für Konzepte der Friedens- und Konfliktforschung - etwa zum Konzept der Sicherheit - seien entscheidende Wege, um das Potential Ökumenischer Theologie im Krieg als Ort resilienter Glaubensgemeinschaften nutzen zu können.
Die Antrittsvorlesung wurde gerahmt von musikalischen Beiträgen des Violinisten Misha Nodelman, Erster Konzertmeister der Neuen Philharmonie Westfalen und Mitbegründer der Friedensprojekte „Threnody for the Victims of Ukraine” (Trauergesang für die Opfer in der Ukraine), „Klingende Stolpersteine“ und „Note of Protest“. (Quelle: Universität Münster, 8. Juli 2025)