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Armenien: Zwei Bischöfe wegen Anstachelung zum politischen Umsturz verhaftet

02. Juli 2025

In der eskalierenden Auseinandersetzung zwischen der armenischen Regierung und der Armenischen Apostolischen Kirche gehen die Behörden nun direkt gegen hochrangige Vertreter der Kirche vor. So kamen am 27. Juni Beamte des armenischen Sicherheitsdienstes zum Hauptsitz der Kirche in Etschmiadzin, um Erzbischof Mikael Ajapahjan, den Vorsteher der Eparchie Schirak, zu verhaften. Gegen Ajapahjan war tags zuvor eine Untersuchung eingeleitet worden, weil er angeblich öffentlich zu einem Militärcoup in Armenien aufgerufen hatte. Gläubige der Kirche verhinderten zunächst die Verhaftung des Erzbischofs.

Später stellte sich Erzbischof Ajapahjan jedoch den Behörden. Ein Gericht in Jerewan ordnete eine zweimonatige Untersuchungshaft für Ajapahjan an. Die Kirchenleitung in Etschmiadsin verurteilte den Gerichtsentscheid, der „eine direkte Folge der kirchenfeindlichen Politik des Premierministers und anderer hochrangiger Regierungsbeamter sowie ihrer feindseligen und hasserfüllten Rhetorik gegenüber dem Klerus“ sei. Das Vorgehen gegen den Erzbischof stelle „einen Fall politischer Verfolgung“ dar. Die Kirchenleitung forderte die Justiz und alle staatlichen Behörden auf, den Erzbischof unverzüglich freizulassen.

Das Vorgehen der Behörden steht im Zusammenhang mit einer sich ausweitenden Auseinandersetzung zwischen dem armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan und seinen Unterstützern und der Kirche. Paschinjan wirft hohen Kirchenvertretern, darunter Katholikos-Patriarch Karekin II, Fehlverhalten vor und will die Wahl eines neuen Kirchenoberhaupts kontrollieren. Karekin hat Paschinjan in den letzten Jahren mehrmals zum Rücktritt aufgefordert, weil er ihn für den Verlust von Berg-Karabach verantwortlich macht. Zudem gilt die Kirche als Verbündete der früheren Regierungen.

Am 25. Juni waren schon der prominente Erzbischof Bagrat Galstanjan und 14 weitere Personen verhaftet worden, zudem durchsuchten Beamte die Häuser von Dutzenden von Oppositionsfiguren. Den Verhafteten wird vorgeworfen, Terrorangriffe und einen Staatsstreich zu planen. Galstanjan war im Sommer 2024 bekannt geworden, als er die Protestbewegung „Heiliger Kampf“ anführte. Diese richtete sich gegen ein Grenzabkommen mit Aserbaidschan und wuchs zur größten Protestbewegung Armeniens seit der Samtenen Revolution, die Paschinjan an die Macht gebracht hat, an. Galstanjan forderte damals Paschinjan zum Rücktritt auf und ließ sich von seinem Dienst freistellen, um selbst als Ministerpräsident kandidieren zu können.

Die Untersuchungsbehörden berichteten, sie hätten bei den Verdächtigen unter anderem Sprengstoff entdeckt, mit dem die Strom- und Internetversorgung hätte beschädigt werden sollen. Auf den veröffentlichten Bildern waren jedoch vor allem Leuchtpistolen, Feuerwerk und Computer zu sehen. Zudem kursierten kontroverse Audioaufnahmen sowohl der Verdächtigten als auch des Ministerpräsidenten, deren Echtheit jedoch stark bezweifelt wird. Verhaftet wurde auch der armenisch-russische Oligarch Samvel Karapetjan, nachdem er die Kirche in Schutz genommen hatte.

Paschinjan erklärte, die Behörden hätten einen „bedeutenden und widerwärtigen kriminell-oligarchisch-klerikalen Plan, um Armenien zu destabilisieren und die Macht an sich zu reißen“, vereitelt. Die geplanten Aktionen hätten den Segen des Katholikos, behauptete Paschinjan weiter. Karapetjan, dem der größte Energieversorger Armeniens gehört, machte er für Stromausfälle verantwortlich – er will den Konzern verstaatlichen.

Der Oberste Geistliche Rat der Armenischen Apostolischen Kirche drückte am 25. Juni in einem Statement seine tiefe Sorge über das Vorgehen der Behörden gegen Erzbischof Galstanjan aus. Das öffentliche Vertrauen in die rechtlichen Abläufe werde untergraben, weil der Premierminister und andere Vertreter der Regierungspartei das Vorgehen der Behörden zu steuern versucht hätten. Ebenso bedauerlich sei der „mutwillige Versuch, diesen rechtlichen Prozess künstlich mit der Kirche zu verbinden“, was gut in den Kontext der „Anti-Kirchen-Kampagne“ der aktuellen Regierung passe. Die Kirche werde mit allen legalen Mitteln Gerechtigkeit einfordern, und sie ruft die Behörden auf, sich von politischen Manipulationen fernzuhalten und im Einklang mit der Verfassung und den Gesetzen zu handeln.

In einem früheren Statement hatte sich die Kirche zudem mit dem verhafteten Samvel Karapetjan solidarisch gezeigt, den sie als „nationalen Wohltäter“ bezeichnete. Seine Verfolgung sei eine „weitere Erscheinung der Anti-Kirchen-Aktionen des Premierministers“, um der Kirche die Unterstützung von ihren Gläubigen durch Angst und Einschüchterung zu entziehen. Sie verurteilte „dieses schändliche Verhalten“, das sie als Schlag gegen den Ruf und Status der Republik Armenien und der armenischen Kirche betrachtet. (NÖK)