Aserbaidschan will „armenische Fälschungen“ von Kirchen entfernen
Die aserbaidschanische Regierung plant womöglich armenische Inschriften an religiösen Stätten zu zerstören, die sich auf dem Gebiet befinden, das Aserbaidschan seit dem Krieg um Berg-Karabach 2020 kontrolliert. Am 3. Februar verkündete der aserbaidschanische Kulturminister Anar Karimov die Gründung einer Arbeitsgruppe, um die „fingierten Spuren der Armenier an albanischen religiösen Stätten“ zu entfernen. Zunächst soll die Gruppe die Stätten untersuchen und dann weitere Schritte erörtern. Wer Teil der Arbeitsgruppe ist, legte Karimov nicht offen, sie soll aus „lokalen und internationalen Fachleuten“ bestehen.
Die Aussagen beziehen sich auf eine Theorie, dass antike Bauten im Gebiet von Aserbaidschan und Berg-Karabach das Erbe des Kaukasischen Albanien seien, ein antikes Königreich, das bis ins frühe 9. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Aserbaidschan existierte. Laut dieser Theorie, die in den 1950er Jahren vom aserbaidschanischen Historiker Ziya Buniyatov entwickelt wurde, sind die armenischen Inschriften auf Kirchen in Aserbaidschan spätere Ergänzungen und Folge einer „Armenisierung“ im Zuge der armenischen Emigration des frühen 19. Jahrhunderts in das Gebiet. Von der Mehrheit der Historikerzunft wird diese Theorie abgelehnt, aber von nationalistischen aserbaidschanischen Historikern und der aktuellen aserbaidschanischen Regierung propagiert.
So erklärte der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev bei einem Besuch in Hadrut im März 2021, dass die Armenier Kirchen mit ihren Inschriften armenisieren wollten. In Bezug auf eine armenische Kirche aus dem 12. Jahrhundert in Hadrut sagte er, „all diese Inschriften sind gefälscht, sie wurden später angebracht“. Kulturminister Karimov behauptete nach dem Waffenstillstandsabkommen vom November 2020, das mittelalterliche armenische Kloster Dadivank sei eines „der besten Zeugnisse der antiken kaukasischen albanischen Zivilisation“. Im Mai 2021 begannen die aserbaidschanischen Behörden zudem, die Kathedrale von Schuschi aus dem 19. Jahrhundert, die im Krieg beschädigt worden war, zu renovieren, um ihr ihre „ursprüngliche Form“ zurückzugeben.
Die Armenische Apostolische Kirche verurteilte das Vorgehen als „anti-humanen und anti-zivilisatorischen Akt“. Zudem beklagte sie die andauernde „Feindseligkeit und Hass“ gegenüber Armenien, Berg-Karabach und dem armenischen Volk. Die „armenische Identität“ der christlichen Heiligtümer in Berg-Karabach sei wissenschaftlich bewiesen. Die Kirche rief die internationale Gemeinschaft und internationale Organisationen auf, energisch auf „diesen offenen Fakt des kulturellen Genozids durch Aserbaidschan“ zu reagieren. Auch international stieß die aserbaidschanische Ankündigung auf Kritik. So zeigte sich die Kommission für Internationale Religionsfreiheit der USA in einem Tweet „zutiefst besorgt“ über die Pläne. Sie drängte die Regierung, religiöse und kulturelle Stätten zu bewahren und schützen.
In einem Statement vom 7. Februar reagierte das aserbaidschanische Kulturministerium auf die Berichte in „voreingenommenen ausländischen Massenmedien“ und betonte, Aserbaidschan sei immer „respektvoll mit seinem historischen und kulturellen Erbe umgegangen, ungeachtet seines religiösen und ethnischen Ursprungs“. Es bestätigte die Schaffung der Arbeitsgruppe, die die Stätten untersuchen und allfällige Fälschungen dokumentieren und der internationalen Gemeinschaft präsentieren soll. Von einer Entfernung armenischer Spuren war jedoch keine Rede mehr.
Befürchtungen über die Zerstörung des armenischen Erbes bestehen seit dem Krieg 2020. Dabei wird auch auf die Auslöschung armenischer Spuren in der aserbaidschanischen Exklave Nachtschiwan verwiesen. Im Dezember 2021 urteilte der Internationale Strafgerichthof, dass Aserbaidschan „alle nötigen Maßnahmen ergreifen“ müsse, um „Vandalismus und die Entweihung armenischer Kulturstätten zu verhindern und bestrafen“. Auch die UNESCO hat ihre Sorge um kulturelle Stätten zum Ausdruck gebracht, aber Bemühungen, eine UNESCO-Mission nach Berg-Karabach zur Inspektion der Kulturstätten zu entsenden, blieben bisher erfolglos. (NÖK)
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