Deutschland: Stellungnahme von Metropolit Augoustinos zum Entscheid des Hl. Synods der ROK
Nach dem Beschluss des Heiligen Synods des Patriarchates Moskau vom 14. September 2018, die "Teilnahme der Russischen Orthodoxen Kirche an allen Bischofsversammlungen, theologischen Dialogen, multilateralen Kommissionen und anderen Gremien, in denen Vertreter des Patriarchats von Konstantinopel präsidieren oder Ko-Vorsitzende sind" einzustellen, stellt eine mögliche Absage der Teilnahme der drei russischen Bischöfe Deutschlands an der nächsten Sitzung der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD) nicht wirklich eine Überraschung dar.
Ich bedaure diesen Beschluss und seine Konsequenzen hier für uns in Deutschland außerordentlich, da die orthodoxe Zusammenarbeit im Rahmen der OBKD sich stets fruchtbar und harmonisch gestaltet hat, und hoffe, dass die Schwierigkeiten, die in den inner-orthodoxen Beziehungen aufgekommen sind, möglichst bald überwunden werden.
Diese Schwierigkeiten hängen bekanntlich mit der Situation in der Ukraine zusammen, einem Land, das nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion selbständig wurde; diese Tatsache gefiel seinerzeit nicht allen Anhängern des vormaligen Status Quo, die ein weiterhin russisch dominiertes Land bevorzugten. Kirchlich handelt es sich derzeit um eine ähnliche Situation: Das zweitgrößte Land Europas strebt eine kirchliche Unabhängigkeit (Autokephalie) an und möchte sich von der Kirche in Russland lösen, einem Land, mit dem sich die Ukraine bekanntlich in einem mehr oder weniger offenen bewaffneten Konflikt befindet.
In dieser Situation hat der Ökumenische Patriarch von Amts wegen eingegriffen und versucht, nicht nur diese akute Frage einer kirchlichen Unabhängigkeit zu lösen, sondern auch zur Überwindung des innerkirchlichen Schismas in der Ukraine beizutragen, das nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion dort entstanden ist. Diese äußerst diffizile Aufgabe kommt ihm durch seinen Ehrenprimat in der Orthodoxie zu und bedeutet also keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer anderen Kirche, ganz abgesehen davon, dass die kirchliche Anbindung der Ukraine an die Mutterkirche in Konstantinopel jahrhundertelang durch zaristische und sowjetische Machtpolitik behindert und sogar geleugnet wurde.
Dass jemand, der einen Streit schlichten möchte, damit selbst seitens der Konfliktparteien zur Zielscheibe von Angriffen gemacht wird, ist im Übrigen ein Phänomen, das man häufig genug beobachtet. Deshalb sind das Engagement des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel für die inner-orthodoxe Einheit und sein Beistand, den es immer wieder gerade auch russischen Gläubigen und Gemeinden im Exil gewährt hat, nicht hoch genug zu würdigen.
Ein weiterer Aspekt des o.a. Beschlusses vom 14.9.2018 betrifft das Verbot der Konzelebration von Bischöfen des Moskauer Patriarchats mit Bischöfen des Ökumenischen Patriarchats. Dies hatte bereits Auswirkungen auf uns hier in Deutschland, da bei der Einführung des neuen serbischen orthodoxen Bischofs in Düsseldorf am 16.9.2018 unser Vikarbischof Bartholomaios von Arianz gebeten wurde, wegen der Anwesenheit zweier russischer Bischöfe nicht zu konzelebrieren. Selbst wenn von russischer Seite betont wird, es handele sich nicht um eine Aufkündigung der eucharistischen Gemeinschaft und im Übrigen seien Konzelebrationen von Priestern weiterhin gestattet, bedauere ich diese Maßnahme und die dahinter stehende Einstellung zutiefst. Für uns Orthodoxe ist die (gemeinsame) Feier der Göttlichen Liturgie, der Eucharistie also, die Summe und der Höhepunkt unseres kirchlichen Lebens. Deshalb ist diese Situation, die ich in dieser Form zum ersten Mal in fast fünf Jahrzehnten bischöflichen Dienstes erlebe, schmerzhaft und verstörend.
In eben diesem Sinne muss ich abschließend auf einen weiteren Aspekt der Moskauer Entscheidung hinweisen, sich aus "allen Bischofsversammlungen, theologischen Dialogen, multilateralen Kommissionen und anderen Gremien, in denen Vertreter des Patriarchats von Konstantinopel präsidieren oder Ko-Vorsitzende sind" zurückzuziehen. Da inner-orthodox stets das sog. Prinzip der Diptychen gilt, eine Liste also der orthodoxen autokephalen Kirchen zu befolgen, auf der an erster Stelle das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel steht, präsidieren oder ko-präsidieren die Vertreter Konstantinopels bei allen pan-orthodoxen Gremien (z.B. den Bischofskonferenzen) und Dialogen. Dieser Beschluss bedeutet dementsprechend auch den Rückzug des Moskauer Patriarchats aus den Theologischen Dialogen auf Landes- und auf Weltebene und aus anderen entsprechenden Foren und geht also weit über eine intendierte "Abstrafung" des Ökumenischen Patriarchats und seines mutigen Vorstehers hinaus. Da kann einen nur noch das legendäre Wort Herbert Wehners trösten: "Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen!"
Bonn, 18. September 2018 (Quelle: www.orthodoxie.net, 18. September)