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Europa: Ost-West-Unterschiede in Europa bei Religiosität und Werten

01. November 2018

Gemäß einer neuen Studie des Pew Research Center unterscheiden sich Menschen in Ost- und Westeuropa in ihren Ansichten bezüglich Religion, Minderheiten und sozialen Fragen deutlich voneinander. So lehnten Mittel- und Osteuropäer gleichgeschlechtliche Ehen, Abtreibung, Andersgläubige in ihrer Nachbarschaft oder Familie sowie die Ausweitung der nationalen Identität auf im Ausland geborene Mitbürger häufiger ab. Diese Unterschiede bestünden auch bald 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und über zehn Jahre nach der EU-Erweiterung weiter.

Grundlage der neuen Studie sind eine Reihe von Untersuchungen zwischen 2015 und 2017, in denen fast 56‘000 Erwachsene (älter als 18 Jahre) in 34 west-, mittel- und osteuropäischen Ländern befragt wurden. Deutliche Unterschiede zwischen Ost und West lassen sich bei den Einstellungen gegenüber Muslimen feststellen: So erklärte in fast allen mittel- und osteuropäischen Ländern weniger als die Hälfte der christlichen Befragten, dass sie Muslime in ihrer Familie akzeptieren würden, während in Westeuropa mehr als die Hälfte bereit wäre, einen Muslim in der Familie aufzunehmen. Westeuropäer sind auch eher gewillt, Muslime in ihrer Nachbarschaft zu akzeptieren. Ähnlich, wenn auch weniger ausgeprägt, zeigt sich die Situation in Bezug auf Juden in der Familie und der Nachbarschaft.

Obwohl Religion in Osteuropa während des Sozialismus kaum eine Rolle spielte, betrachten heute mehr Osteuropäer sie als wichtigen Bestandteil ihrer nationalen Identität. In Westeuropa ist diese Ansicht deutlich weniger verbreitet, insbesondere in Großbritannien und Frankreich. In Osteuropa tendieren die Menschen auch häufiger dazu, ihre eigene Kultur als überlegen zu betrachten. Im Land geboren zu sein und einen familiären Bezug dazu zu haben, halten sie zudem für wichtiger für die nationale Identität als die meisten Befragten in Westeuropa.

Die Kluft zwischen Ost und West zeigt sich auch in verschiedenen sozialen Fragen wie der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Ehen oder legaler Abtreibung. In allen untersuchten westeuropäischen Ländern befürwortet eine klare Mehrheit gleichgeschlechtliche Ehen, während in Mittel- und Osteuropa eine Mehrheit dies ablehnt. In einigen Fällen sind diese Ansichten weit verbreitet, so sind 90 Prozent der Russen dagegen, während in den Niederlanden, Dänemark und Schweden weit über 80 Prozent sie befürworten. Nicht ganz so extrem, aber dennoch eindeutig sind die Unterschiede in Bezug auf legale Abtreibung.

Diese Unterschiede werden wohl auch in Zukunft bestehen bleiben, vermuten die Forscher. Denn die Ansichten der jungen Mittel- und Osteuropäer seien nur wenig offener als die ihrer älteren Landsleute, in den meisten Fällen seien sie immer noch deutlich konservativer als ältere Westeuropäer. Insgesamt stellten die Umfragen einen Rückgang der Religiosität in Westeuropa fest, sowohl bei der Selbstidentifikation als gläubiger Mensch wie auch bei der religiösen Praxis. Mittel- und Osteuropäer bezeichnen sich hingegen häufiger als religiös, besuchen auch eher regelmäßig Gottesdienste und beten mehr. (NÖK)