Weißrussland: Österreichisches Holocaust-Mahnmal eingeweiht
Bundeskanzler Sebastian Kurz hat in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ein Holocaust-Denkmal für die im NS-Vernichtungslager Maly Trostinec getöteten österreichischen Juden eingeweiht. Zwischen 10'000 und 13'000 Juden aus Österreich wurden von 1941 bis 1944 dort ermordet. Maly Trostinec gilt neben Auschwitz als jener Ort mit den meisten österreichischen Shoah-Opfern. Insgesamt wurden in Maly Trostinec rund 200'000 Menschen ermordet.
Das "Massiv der Namen" ist ein rund rund 5,5 Meter langer, 2,2 Meter breiter und 3,5 Meter hoher Beton-Komplex. Dieser ist in zehn gleich große Stelen gebrochen als Symbol für die zehn "Wiener Transporte". In die Stelen ist ein durchlaufendes Band mit den Vornamen der Deportierten und Ermordeten geschlagen. Der Entwurf des Mahnmals stammt vom deutschen Architekten Daniel Sanwald, ausgeführt wurde es vom weißrussischen Bildhauer Konstantin Kostjutschenko.
Bundeskanzler Kurz sagte im Vorfeld der Einweihung, dass Österreich mit diesem Mahnmal ein weiteres Zeichen setze, "um seiner historischen Verantwortung für diese unfassbaren Gräueltaten nachzukommen". Bereits im vergangenen Juni hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen vor Ort - gemeinsam mit dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko - symbolisch den Grundstein für das Österreicher-Mahnmal gelegt. Im Juli 2016 hatte Kardinal Christoph Schönborn Maly Trostinec besucht und zeigte sich "zutiefst erschüttert" über das Geschehen vor rund 75 Jahren. "Die Erinnerung an die vom NS-Regime in Maly Trostinec ermordeten Wienerinnen und Wiener muss bewahrt bleiben", so der Kardinal damals gegenüber Kathpress.
Der Weißrusslandbesuch Van der Bellens im Juni 2018 galt vor allem auch der offiziellen Eröffnung der bereits bestehenden Gedenkstätte für alle insgesamt 200'000 in Maly Trostinec Ermordeten. Dazu reisen auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der polnische Staatspräsident Andrzej Duda und der israelische Präsident Reuven Rivlin an. Der Bau dieser Gedenkstätte war 2015 begonnen worden.
Maly Trostinec war der größte nationalsozialistische Vernichtungsort in der damaligen Sowjetunion. Vor allem weißrussische, deutsche, österreichische und tschechoslowakische Juden wurden ermordet. Weitere Opfer waren weißrussische Zivilisten, Partisanen, Widerstandskämpfer und sowjetische Kriegsgefangene. Allein im Wald von Blagowschtschina wurden später 34 Massengräber entdeckt mit weit über 120'000 Opfern. Sie wurden erschossen oder man brachte sie in Gaswagen um. Später ließen die Nazis die Opfer ausgraben und verbrennen, um die Spuren des Massenmordes zu verwischen. Die ersten Ermordeten waren im Herbst 1941 tausend deutsche Jude aus Hamburg.
Trotz der unermesslichen Zahlen ist Maly Trostinec nur einer von vielen Orten der NS-Mordmaschinerie in der Region. Auf dem Territorium des heutigen Weißrussland gab es insgesamt rund 260 NS-Lager, in denen mindestens zwei Millionen Menschen ermordet wurden.
Bei der Einweihung am Donnerstag waren u.a auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, die Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Hannah Lessing, sowie Waltraud Barton vom Verein "IM-MER" (Maly Trostinec erinnern) anwesend.
Der von Waltraud Barton begründete Verein "IM-MER" (Maly Trostinec erinnern) war und ist die treibende Kraft hinter allen Gedenk-Bemühungen. "Ohne Grabmal, auf dem ihre Namen stehen, bleiben die Ermordeten die, zu denen man sie vor 75 Jahren gemacht hat: Ausgestoßene." - So hatte Barton stets ihr Engagement für das Denkmal begründet. Nachsatz: Solange dort, wo die Menschen ermordet wurden, nichts an sie und ihren gewaltsamen Tod erinnert, "ist es so, als hätte es sie, aber auch die Verbrechen an ihnen gar nicht gegeben. Das dürfen wir nicht zulassen".
Der Verein "IM-MER" hatte 2015 - nach vorhergehenden vergeblichen Bemühungen - im österreichischen Parlament eine Petition für die Errichtung des Memorials eingebracht. Der österreichische Nationalrat hatte schließlich am 13. Oktober 2016 einstimmig die Bundesregierung beauftragt, ein würdiges Grab- und Mahnmal für die in Maly Trostinec ermordeten jüdischen Wienerinnen und Wiener zu errichten. Das Mahnmal wurde mit Regierungsmitteln finanziert.
Kanzler Kurz besucht vor der Einweihung des Mahnmals auch das nahegelegene Wäldchen Blagowschtschina und brachte dort eine Gedenktafel an. Der Verein "IM-MER" hat in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche gelbe Gedenktafeln an den dortigen Bäumen befestigt, die die Namen der einzelnen Getöteten tragen. Für den Abend war in Minsk ein "Abend der Erinnerung" im Palast der Republik vorgesehen.
Mit den Arbeiten am Memorialkomplex Maly Trostinec wurde bereits 2014 begonnen und ein erster Teil im Eingangsbereich wurde 2015 fertiggestellt. Das gesamte Gelände ist überaus weitläufig - 124 Hektar wurden von den weißrussischen Behörden unter Schutz gestellt. Dazu gehören Maly Trostinec selbst, der Wald von Blagowschtschina und das Dorf Schaschkowka.
Von den bis zu 13'000 per Bahn vom Aspangbahnhof nach Maly Trostinec deportierten Wienerinnen und Wienern überlebten nur 17. Der lange Bahntransport sollte die Menschen irreleiten, es wurde ihnen eingeredet, sie könnten sich "im Osten" eine "neue Existenz" aufbauen. Auf dem Bahnhof von Wolkowisk (271 Kilometer vor Minsk) mussten die Deportierten die Personenzüge verlassen, anschließend wurden sie in Viehwaggons verladen. In Maly Trostinec wurden sie, nachdem sie ausgestiegen waren, sofort auf Lastwagen verfrachtet und an einer geheimen Mordstätte im Wald von Blagowschtschina, wo es eine schwer einsehbare Lichtung gab, erschossen, später auch in Gaswagen erstickt. In Schaschkowa gab es eigene Krematorien, wo die Leichen der Opfer verbrannt wurden.
Der Wald von Blagowschtschina gehörte zu einer ehemaligen Kolchose, die von der NS-deutschen sogenannten "Sicherheitspolizei" beschlagnahmt worden war. Die NS-Schergen richteten auf der Kolchose, die über einen Bahnanschluss verfügte, ein Zwangsarbeitslager ein; zugleich erschienen ihnen die Lichtung im Wald für ihre Mordpläne geeignet. Insgesamt waren für 1942 18 Deportationszüge aus Wien geplant, in denen man unterschiedslos Männer, Frauen und Kinder zusammenpferchte. Um die Täuschung zu stärken, mussten die Deportierten Gepäck mit sich führen. Der erste Deportationszug verließ den (heute nicht mehr bestehenden, aber auch damals abseits gelegenen) Aspangbahnhof am 28. November 1941, der letzte am 5. November 1942. (Infos: www.im-mer.at, Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)