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Georgien: Agentengesetz wird trotz Massenprotesten, aber mit kirchlicher Unterstützung verabschiedet

16. Mai 2024

Das georgische Parlament hat am 14. Mai ein umstrittenes Gesetz über „ausländische Agenten“ verabschiedet, das auch von Teilen der Georgischen Orthodoxen Kirche (GOK) unterstützt wird. 84 Abgeordnete der Regierungspartei Georgischer Traum stimmten für das Gesetz, dagegen waren 30 Parlamentarier. In den nächsten zwei Wochen wird das Gesetz der georgischen Präsidentin Salome Zurabischwili zur Unterzeichnung vorgelegt, die bereits ihr Veto angekündigt hat. Die Regierungspartei kann allerdings das Veto der Präsidentin überstimmen.

Die dritte und letzte Lesung des Gesetzesentwurfs verlief turbulent, während auf den Straßen der Hauptstadt Tbilisi Tausende gegen das Gesetz protestierten. Auch in anderen georgischen Städten gab es Demonstrationen. Zehntausende hatten bereits während der letzten Wochen protestiert, zahlreiche Demonstranten wurden verhaftet und es gab Verletzte. Zudem kam es zu mehreren Angriffen auf Regierungskritiker.

In einem Statement vom 27. April hatte das georgische Patriarchat seine Unterstützung für das Gesetz mitgeteilt. Mit Verweis auf „jüngste Ereignisse“ und „geopolitische Veränderungen globalen „Ausmaßes“ warnte es, dass „wir kein Recht auf Fehler haben“. Die Konfrontationslinie sei auf „dem Feld des Kampfes gegen Werte und die staatliche Souveränität gezogen“ worden. Fortschritt sollte auf der Grundlage von „Vaterland, Sprache und Glauben“ basieren. Die GOK respektiere „ehrliche Initiativen und Bestrebungen unserer Kinder“, aber es gehe um „heikle und wesentliche“ Fragen. Die Manipulation von „gesundem Aktivismus der künftigen Generation für bestimmte politische Interessen und das Propagieren bösartiger Ideologie“ wäre schädlich. Wie die Regierung und die Mehrheit der Georgier unterstütze die GOK die europäische Integration des Landes, aber es „ist eine Tatsache“, dass „NGOs oder Fernsehsender, die aus dem Ausland finanziert werden, während Jahren eine Kampagne zur Diskreditierung der Kirche sowie eine zunehmende Propaganda der LGBT-Lebensweise betrieben haben“. Das „Aufzwingen von ausländischen, ungewöhnlichen und gefährlichen Ideologien erhöht die Polarisierung“, heißt es in dem Statement weiter. Die Kirche brauche und erwarte keine Hilfe in ideologischen Angelegenheiten, aber die Regierung habe eindeutig den „Weg der Verteidigung der traditionellen Werte“ eingeschlagen.

Die GOK kritisierte außerdem eine kürzliche Resolution des Europäischen Parlaments, die Georgien die Einführung eines Gesetzes zur „Verhinderung von LGBT-Propaganda unter Jugendlichen“ verbieten wolle. Am 25. April hatte eine große Mehrheit der Europaparlamentarier das Gesetz über „ausländische Agenten“ verurteilt und davon abgeraten, Beitrittsverhandlungen mit Georgien aufzunehmen, solange ein solches Gesetz in Kraft sei. Damit übe das Europäische Parlament Druck auf Werte aus, die von der Mehrheit der Bevölkerung anerkannt seien, und anerkenne die georgische Souveränität nicht vollständig, findet die GOK. Abschließend unterstrich sie, dass die Kirche „unsere Traditionen, die Heiligkeit und Wichtigkeit der Familie verteidigen sowie die georgische Kultur schützen will“.

Am 2. Mai rief die GOK jedoch die Seiten zu Verhandlungen auf. Die „Spannung und Polarisierung“ aufgrund der Uneinigkeit in der Gesellschaft „konsterniert“. Die Menschen zeigten aufgrund unterschiedlicher Meinungen offen Hass aufeinander und die Differenzen vertieften sich und gingen in eine Krise über. Die Kirche rief dazu auf, den Austausch von der Straße an den Verhandlungstisch zu bringen, um eine „friedliche Lösung für die politische Krise“ zu finden.

Das georgische Gesetz über „ausländische Agenten“, das oft als „russisches“ Gesetz bezeichnet wird, weil dort schon länger ähnliche gesetzliche Regelungen bestehen, würde jede zivilgesellschaftliche Organisation und jedes Medium als „Organisation, die den Interessen einer ausländischen Macht dient,“ einstufen, die mindestens 20 Prozent ihrer Finanzmittel aus dem Ausland erhält. Diese Organisationen würden alle sechs Monate vom Justizministerium überprüft, was auch die Herausgabe interner Unterlagen und vertraulicher Quellen beinhalten könnte. (NÖK)