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Russland: Warnungen für Geistliche in den sozialen Medien

11. Februar 2021

Als wichtigste Aufgabe von Priestern in den sozialen Medien hat Alexander Schtschipkov, stellv. Leiter der Synodalabteilung für die Beziehungen der Kirche zur Gesellschaft und den Medien, das Hinführen von Menschen zur Kirche bezeichnet. Die Priester müssten sich immer auf die „reale Pfarrgemeinde“ stützen, „Priester-Blogger“ hingegen seien „völlig virtuell, sie wenden sich nicht an Menschen, sondern an die virtuelle Welt, an Likes, und werden selbst zu einem Simulakrum“, warnte er auf dem orthodoxen Fernsehsender Spas.

Eine weitere Gefahr sieht Schtschipkov in der Fixierung auf die eigene Person. Geistliche müssten auch im Internet die Menschen um Gott scharen, nicht um sich selbst. Zudem bestehe die Gefahr einer Kommerzialisierung ihrer Arbeit. Geistliche Blogger erstellten Inhalte, die Geld einbringen, und so würden einige von ihnen zu „professionellen Sammlern von Likes“. Likes brächten Werbung, Werbung bringe Geld, aus dem Bloggen werde eine Arbeit, und Geistliche vergäßen, wozu sie in den sozialen Netzwerken aktiv seien. Der „Platz eines Geistlichen ist in der Kirche, nicht in den sozialen Netzwerken“, erklärte Schtschipkov. Allerdings gesteht er den Geistlichen zu, ihre Meinung zu Ereignissen des gesellschaftlichen Lebens zu äußern, wobei diesen Äußerungen eine „ernsthafte theologische und Gebetsarbeit“ vorangehen müsse.

Mit seinem Kommentar folgt Schtschipkov den Äußerungen von Patriarch Kirill. Dieser hatte an der Versammlung der Eparchie Moskau am 24. Dezember 2020 erklärt, dass das Thema aufgrund der Maßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie wie Quarantäne und soziale Distanz noch aktueller geworden sei. Natürlich dürfe die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) die zahlreichen Menschen in den sozialen Netzwerken nicht ohne Seelsorge lassen. Aber nicht jeder Geistliche sei geeignet, im Netz zu predigen. Als wichtige Eigenschaften betrachtet Kirill eine gute Ausbildung, hohe Bildung und langjährige Erfahrung.

Eine Aufgabe der Geistlichen sei, den Menschen im Netz die „Wichtigkeit der Teilnahme am realen Leben der Gemeinde und vor allem an der Kommunion“ näherzubringen, erklärte der Patriarch. Ihre Mission – die Menschen zu Gott zu führen – dürften Geistliche dabei nicht vergessen. Egal wie beliebt sie seien, dürften sie sich selbst und ihre Überlegungen nicht in den Mittelpunkt des Lebens der Gläubigen stellen. Eine weitere Gefahr sieht Kirill in der großen Zahl von Followern, die sich negativ auf die Prioritäten von Geistlichen auswirken könnten. Wenn einem Priester online ein Mehrfaches an Menschen folge, als seine Gemeinde Mitglieder hat, könne diesem die reale Gemeinde zweitrangig vorkommen. Dadurch investiere er mehr Energie in den Dienst an der virtuellen Gemeinde und werde so ein „Blogger, der über das spirituelle Leben spricht, und hört auf, ein Hirte zu sein“. Auch er verwies darauf, dass Geistliche ihre Meinung zum Weltgeschehen äußern dürften, aber durchdacht und ohne Polemik.

Bereits am 19. November 2020 hatte die Synodalabteilung für die Beziehungen der Kirche mit der Gesellschaft und den Medien mit einer Liste von „falschen Geistlichen“ im Internet gewarnt. Damit versucht die Kirchenleitung Gläubige vor religiösen Figuren im Netz zu warnen, die sie nicht billigt oder die nicht Teil der offiziellen Kirche sind. Jacob Lassin, der die Online-Präsenz der ROK erforscht, gibt jedoch zu bedenken, dass die Liste auch kontraproduktiv sein könnte, da sie Links zu den YouTube-Kanälen der betreffenden Geistlichen enthält und so erst recht zu deren Bekanntheit und Reichweite beitragen könnte. Das gehe so weit, dass einer der aufgelisteten Geistlichen sich in einem Video für den Status als einer der „Top-10 der falschen Geistlichen“ beim Moskauer Patriarchat bedankt. Der kürzlich exkommunizierte frühere Schema-Mönch Sergij (Romanov), der für seine Corona-Leugnungen und die Besetzung eines Klosters im Ural bekannt ist, steht ebenfalls auf der „schwarzen Liste“.

Viele der aufgelisteten Videoblogger haben wesentlich mehr Follower als die offiziellen Kanäle der ROK und ihre Inhalte erreichen deutlich höhere Klickzahlen. So lenke die ROK mit ihrer Liste die Aufmerksamkeit auf eine „dynamische Darstellung der Orthodoxie online“ hin, die ihre eigenen mangelhaften Bemühungen um Online-Präsenz betone, kommentiert Lassin weiter. So zeige die ROK zwar, dass ihr die große Macht der sozialen Medien bewusst sei und sie sich ernsthaft mit der Thematik auseinandersetze. Andererseits verdeutliche sie mit ihrem Vorgehen unabsichtlich ihre eigenen Schwächen bei der Online-Kommunikation. (NÖK)