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Russland: Orthodoxe Kirche erhält Rubljov-Ikone als Dauerleihgabe

27. Juli 2023

Der russische Patriarch Kirill und die russische Kulturministerin Olga Ljubimova haben einen Vertrag zwischen der Tretjakov-Galerie und dem Dreifaltigkeitskloster in Sergijev Posad unterzeichnet. Damit wird dem Kloster die berühmte Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljov für 49 Jahre, mit Möglichkeit zur Verlängerung, zur unentgeltlichen Nutzung übertragen. Als Museumsgut bleibt die Ikone im Besitz des Staats, dem Kloster wird sie auf Anweisung des russischen Präsidenten Vladimir Putin überlassen, der damit einer Bitte des Patriarchen „im Namen der Gläubigen der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK)“ entspricht.

In der Präambel des Vertrags heißt es, die beiden Seiten seien sich einig, dass die Dreifaltigkeitsikone ein „nationales Heiligtum, einzigartiges Denkmal des nationalen Kulturerbes von föderaler Bedeutung und ein unveräußerlicher Teil der Weltkultur und -kunst“ sei. Der Vertrag entspricht einer Vorlage des Kulturministeriums vom Sommer 2022, die Religionsgemeinschaften verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Unversehrtheit von Museumsgegenständen zu gewährleisten. Restaurations- und Konservierungsarbeiten werden aus „eingeworbenen Mitteln und im Rahmen staatlicher Unterstützungsprogramme“ finanziert.

Bei der Vertragsunterzeichnung in St. Petersburg bezeichnete Patriarch Kirill diese als „historisches Ereignis“, es sei ein symbolisches Zeichen für eine andere Zeit. Die Zeit, als Heiligtümer der Kirche konfisziert worden seien, „ist – hoffentlich für immer – vorbei“. Nun sei die Zeit gekommen, in der der Kirche ihre Heiligtümer zurückgegeben würden, sogar wenn sie einen „riesigen kulturellen und historischen Wert haben“. Weiter bedankte sich Kirill beim Kulturministerium und der Regierung und wünschte, dass sich der kirchlich-staatliche Dialog „gerade so, und nicht anders, zum Wohl des Vaterlands und des Volks entwickelt“.

Am 15. Mai war bekanntgeworden, dass auf Anordnung von Präsident Vladimir Putin die Dreifaltigkeitsikone aus der Moskauer Tratjakov-Galerie dauerhaft an die ROK übergeben werden soll. Dies hatte bei Museums- und Restaurationsfachleuten sowie Kunstwissenschaftlerinnen zu breiter Kritik und großer Sorge um die sichere Aufbewahrung der äußerst wertvollen Ikone aus dem 15. Jahrhundert geführt. Die Expert:innen erinnerten daran, dass die Ikone, nachdem sie im Juli 2022 im Dreifaltigkeitskloster ausgestellt worden war, an über 60 Stellen beschädigt war. Trotz der Arbeit der Restaurateure sei der Zustand der Ikone weiterhin „instabil“. Vom 4. Juni, dem orthodoxen Pfingstfest, bis zum 18. Juli war die Ikone in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau ausgestellt. Am 19. Juli wurde sie ins Restaurierungszentrum I. E. Grabar transportiert, wo sie restauriert wird. Die nötigen Maßnahmen werden vom erweiterten Restaurierungsrat des Zentrums getroffen werden. Danach soll sie ins Dreifaltigkeitskloster von Sergijev Posad überführt werden.

Der Präsidentenberater in Kulturfragen, Vladimir Tolstoj, sprach sich für eine klare Regelung für Übergaben von Museumsexponaten an die ROK aus. Es müssten klare Regeln gelten und ein System befolgt werden, es dürften nicht einfach „spontane Entscheidungen“ getroffen werden, erklärte er. Dabei müsse auch die Meinung von Fachleuten miteinbezogen werden, die als einzige die Bedrohungen für die Kulturdenkmäler verstünden. Er will auch nicht auf „irgendein nächstes solches Ereignis warten“, sondern sich mit einer „kleinen Gruppe von Experten“ zusammensetzen und gemeinsam mit der Kirche Regeln erarbeiten und diese dann befolgen.

Die ROK betont immer wieder, sie sei fähig, Kulturgüter angemessen zu bewahren, was von Fachleuten vielfach bezweifelt wird. Zuletzt betonte Erzpriester Alexander Saltykov, unter anderem Dekan der Fakultät für kirchliche Kunst der Orthodoxen Universität des Hl. Tichon, die Kompetenzen der kirchlichen Experten. Er forderte, dass die gesamte Dokumentation aller Restaurationsarbeiten an der Dreifaltigkeitsikone mit der ROK geteilt werde. Bei „völliger Sympathie und Vertrauen zu den Kollegen der Tretjakov-Galerie ist ein Dialog notwendig, der Offenheit und gegenseitigen Respekt voraussetzt“, erklärte Saltykov weiter. (NÖK)