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Russland: Patriarch betont enge Verbindung von Glauben und Nationalität

16. November 2023

Der russische Patriarch Kirill hat die Untrennbarkeit von orthodoxem Glauben und russischer Nationalität betont. In seiner Predigt zum Feiertag der Gottesmutterikone „Freude aller Leidenden“ am 6. November erklärte er, dass es sehr wichtig sei, dass das „Verständnis der eigenen Zugehörigkeit zum russischen Volk heute von einem tiefen orthodoxen Glauben begleitet“ werde. Diejenigen, die von sich behaupteten, Russen zu sein, aber nicht in die Kirche gingen, sollten „sich fragen, ob sie die Erben ihrer Väter, Großväter, Großmütter, Urgroßväter und Stammväter sind, die ihr Leben mit dem Glauben verknüpften“. Und „wenn ihr nicht ihre Erben seid, in welchem Sinn könnt ihr dann von euch als russischen Menschen sprechen?“, führte Kirill weiter aus. Zum „russischen Volk“ zählte er explizit auch die Ukrainer und Belarusen.

In der Predigt beklagte Patriarch Kirill auch die „Pseudoreligiosität“ vieler Menschen in Russland, denn diese „alltägliche, rituelle Religiosität“ bringe keine Rettung. Für einen echten Glauben hob der Patriarch die Bedeutung der persönlichen Erfahrung und von Wundern hervor. Eine reale Verbindung zu Gott spürten die Menschen unter anderem durch das Vollbringen guter Taten, sagte Kirill weiter. Er kenne viele, die „solche Taten dort vollbringen, wo jetzt Blut vergossen wird – im Donbass“. Dabei nannte er explizit die Freiwilligen, die es für nötig hielten, das Vaterland zu verteidigen, „weil es heute als Bollwerk der Orthodoxie in der Welt auftritt“. „Alles“, was auf dem Schlachtfeld geschehe, „erfordert unsere gemeinsame Unterstützung“.

Patriarch Kirill sprach auch darüber, dass viele Menschen erst die Erfahrung von Leid und Unglück zum Glauben bringe. Das sei zwar nicht richtig, aber auch nicht schlimm, solange die Menschen zur Religion kämen – „besser spät als nie“. Überhaupt diene das Leid dazu, ein besserer Mensch zu werden. Daher sei auch die aktuelle „schicksalshafte Zeit“ dazu da, „unseren Glauben zu erneuern, unser nationales und religiöses Selbstverständnis zu stärken, damit wir auch weiter den historischen Weg beschreiten, den Gott uns eröffnet“, erklärte Kirill weiter.

Die Kernaussagen aus Patriarch Kirills Predigt wurden von zahlreichen russischen Medien aufgegriffen. Einige verwiesen darauf, dass nicht alle Russen orthodoxe Gläubige sind und die Zahlen der regelmäßigen Kirchgänger tief sind. Laut dem renommierten Levada-Zentrum identifizierten sich 2023 72 Prozent der russischen Bevölkerung als orthodox. Obwohl 40 Prozent der Befragten angaben, Religion sei für sie sehr wichtig (14 Prozent) oder eher wichtig, und sogar 45 Prozent von sich sagten, sie seien sehr religiös (7 Prozent) oder eher religiös (38 Prozent), besuchen nur gerade 3 Prozent der Befragten ein- oder mehrmals pro Woche einen Gottesdienst. 4 Prozent besuchen zwei- bis dreimal im Monat einen Gottesdienst, 5 Prozent einmal im Monat.

Zur russischen Identität hatte sich Patriarch Kirill schon unlängst geäußert, wobei er die Immigration nach Russland kritisierte. Nach einem Auftritt an der Staatlichen Pädagogischen Universität Moskau beantwortete er Fragen von Studierenden, darunter eine zur demografischen Entwicklung in Russland. Aufgrund der tiefen Geburtenrate und dem Mangel an Arbeitskräften kämen Gastarbeiter ins Land, die zunächst völlig fremd erschienen. Mit Zeit begännen sie jedoch russisch zu sprechen, heirateten Russinnen und würden Staatsbürger. Daran sei an sich nichts schlecht, aber es gebe „ein Risiko“, sagte Kirill. „Diese Art von Menschen“ nähere sich religiös und kulturell den Russen nie an, da sie einen eigenen Glauben und eine eigene Kultur hätten. Ein „gebildeter, intelligenter russischer Mensch“ müsse den Glauben und die Kultur anderer Menschen respektieren, aber wenn ein anderer Glaube und eine andere Kultur sich so verbreiteten, dass sie gleich stark oder gar dominant würden, „dann verlieren wir das Land, wir verlieren unsere Identität“.

Deshalb dürfe die Nachfrage nach billigen Arbeitskräften nicht „riesige Mengen Menschen anziehen, die einer anderen Kultur und einem anderen Glauben angehören“, erklärte der Patriarch weiter. Er warf den Migranten zudem vor, oft kein Russisch zu sprechen und Russland und sein Volk nicht zu respektieren. Das gelte nicht für alle, aber so drohten interreligiöse und interethnische Spannungen in der Gesellschaft. Dabei geht es ihm nicht um den Islam und muslimische Migranten, wie er betonte, sondern um „demografische Prozesse, die unser Land und unseren Staat radikal verändern können“. (NÖK)