Russland: Umfangreiche Reliquientour zieht großes Publikum an
Anlässlich des 100. Todestags des Hl. Tichon sind Reliquienfragmente an verschiedenen Stationen in ganz Russland und in Belarus ausgestellt worden, um von Gläubigen verehrt zu werden. Während 190 Tagen – vom 6. April bis 12. Oktober – wurden die Reliquien in 100 Städten von rund 620‘000 Menschen besucht. Die Tour begann in Belarus und machte in allen Gebieten der Russischen Föderation Station. Organisiert wurde sie von der Kommission der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) für die Entwicklung des Pilgerwesens und Überführung von Reliquien mit Beteiligung des Weltkonzils des Russischen Volks und des Wohltätigkeitsfonds „Tsargrad“. Von der Kommission wurde sie als „eines der zentralen und bedeutenden kirchlichen Ereignisse des Jahrs“ bezeichnet.
Die Präsentation der Reliquien „war eine wahrhaftige Demonstration der spirituellen Einheit der russischen Welt“, heißt es auf der Website der Kommission für das Pilgerwesen. Überall im Land hätten Bischöfe, Geistliche, Mönche, zahlreiche Pilger, Vertreter des Staats und der Zivilgesellschaft die Reliquien besucht. Zudem habe es an allen Stationen ein Rahmenprogramm mit Gottesdiensten, Ausstellungen und Konzerten spiritueller Musik gegeben. Im Rahmen der Feierlichkeiten habe es zudem über 40 Kreuzprozessionen gegeben. Weiter haben 30 Gouverneure gemeinsam mit Hierarchen an der Präsentation der Reliquien teilgenommen. An allen Stationen wurde eine Botschaft des russischen Patriarchen Kirill und des russischen Präsidenten Vladimir Putin an die Gläubigen verlesen.
Die Person des Hl. Tichon, der der erste russische Patriarch nach der über 200-jährigen Synodalphase war und der ROK zur Zeit der bolschewistischen Verfolgungen nach der Russischen Revolution vorstand, sei ein „Beispiel des Mutes und der Treue zur Kirche in den Jahren schwerer Prüfungen“, heißt es im Bericht der Kommission für Pilgerreisen. Die Überführung seiner Reliquien erinnere daran, dass „Einheit, Glaube und Liebe zu Gott stärker als jegliche Spaltungen sind“. Für viele Gläubige sei der Besuch der Reliquien ein Moment der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Glauben, der Reue und innerlichen Transformation gewesen.
Es gab vereinzelt Kritik an der Verbindung der Feierlichkeiten mit aktuellen Ereignissen. So wies Russia Religion Watch darauf hin, dass beim Gottesdienst in Surgut, in Sibirien, im September Metropolit Nikandr (Prilischin) die damaligen schwierigen Zeiten mit heutigen Prüfungen verglichen habe. Das Rahmenprogramm mit Vorträgen und wissenschaftlichen Konferenzen lege nahe, dass es auch um eine „ideologische Konsolidierung im Krieg“ gehe. Mit dem Zeitpunkt der Reliquientour mitten im Angriffskrieg gegen die Ukraine würden die aktuellen Ereignisse als Fortsetzung von Tichons Kampf gegen „gottlose Kräfte“, die die orthodoxe Zivilisation bedrohten, dargestellt. (NÖK)