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Russland: Stärkeres wirtschaftliches Engagement der Kirche gefordert

22. August 2018
Ein bekannter russischer Altgläubiger hat angeregt, die Kirche solle innovative wirtschaftliche und soziale Modelle propagieren. Leonid Sevastjanov, ständiges Mitglied der Kommission der altgläubigen Gemeinden im Moskauer Patriarchat, erklärte an einer Konferenz in Assisi, die Aufgabe der Kirche in der Armutsbekämpfung bestehe „in der Einführung christlicher Wirtschaftsmodelle“. Dabei berief er sich auf das Auftreten der Kirche zu byzantinischer Zeit, als diese „sich in einer zeitgemäßen Sprache ausgedrückt“ habe, nicht „durch Gewalt und billige Propaganda“, sondern durch das „Beispiel zeitgemäßer sozialer Modelle und Technologien“.

In diesem Sinn solle die Kirche ihre Banken nicht schließen, sondern auf einer neuen Grundlage eröffnen und dabei christliche Moralprinzipien in ihre Tätigkeit einbringen. Auch für Offenheit gegenüber neuen „Technologien und Möglichkeiten“ wie Blockchain sprach sich Sevastjanov aus sowie Aktivitäten in Bereichen wie Bankwesen, Versicherung und Pharmaindustrie. Die Kirche solle die Welt „moralischer und gerechter“ machen und ihre praktische Nützlichkeit und den Wert ihrer Morallehre beweisen.

Laut Sevastjanov erlaubt es die Gesetzgebung Russlands, Weißrusslands, der Ukraine, der Republik Moldau, Georgiens, Kasachstans und anderer postsowjetischer Staaten der Kirche, eigene Kredit- und Versicherungsanstalten, Rentenfonds und andere Unternehmen zu führen und so Arbeitsplätze zu schaffen, anstatt sich auf die traditionelle Sammlung von Spenden und Suche nach Mäzenen zu beschränken. Die „wirtschaftliche Passivität der Kirche“ werde von der Gesellschaft als Versuch eines „parasitären“ Wirtschaftens wahrgenommen, was zu einem Autoritätsverlust der Kirche führe.

In diesem Zusammenhang plädierte Sevastjanov auch für eine Distanzierung vom Ideal der Armut. Die Aufgabe der Kirche unter den aktuellen Wirtschaftsbedingungen bestehe darin, die schöpferische Aktivität ihrer Anhänger und aller Menschen anzuregen. Das Problem sei nicht Reichtum an sich, sondern die Beziehung dazu oder seine Verwendung. Das Armutsideal könne zur Monopolisierung wirtschaftlicher Macht in den Händen von Businesskreisen führen sowie zur Verschwendung gottgegebener Talente. (NÖK)