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Ukraine: Gemeinsames Friedensgebet der Religionsgemeinschaften

24. Februar 2022

Am 16. Februar haben Vertreter der ukrainischen Religionsgemeinschaften in der Sophienkathedrale für Frieden in der Ukraine gebetet. Unter den Teilnehmern waren der Leiter der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU), Metropolit Epifanij (Dumenko), der Leiter der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK), Großerzbischof Svjatoslav (Schevtschuk), sowie Vertreter der römisch-katholischen Kirche, protestantischer Kirchen, der Muslime und Juden. Nicht anwesend war das Oberhaupt der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK), die dem Moskauer Patriarchat untersteht. Auf das Fehlen von Metropolit Onufrij (Berezovskij) wiesen verschiedene ukrainische Medien kritisch hin.

Die UOK erklärte auf ihrer offiziellen Seite daraufhin, dass Bischof Viktor (Kozaba) mit dem Segen Onufrijs am gemeinsamen Friedensgebet teilgenommen habe. Bei seinem Auftritt habe er betont, wie wichtig die Einigkeit des Volks sei. In den Kirchen und Klöstern der UOK werde mit dem Segen Onufrijs täglich für „Frieden, Verständnis und die Einheit aller Ukrainer ohne Ausnahme“ gebetet. Es werde dafür gebetet, dass jegliche äußere Bedrohungen bewältigt würden, und dass der gewünschte Frieden von Millionen Mitbürgern erreicht werde. In der Einheit liege die Stärke des Volks, deshalb „müssen wir uns wieder eindringlich bewusst machen, dass wir alle Ukrainer sind, dass es bei uns niemanden gibt, der besser oder schlechter ist, dass wir alle verschieden sind, aber dabei alle ebenbürtig sind“, führte Bischof Viktor aus. Er betonte, die UOK unterstütze den „Staat, unseren Präsidenten und die ganze Regierung, auf denen zurzeit eine große Verantwortung lastet“. Im Fall eines großangelegten Kriegs sei die UOK bereit, „Menschen zum Schutz unserer Heimat zu segnen“.

An der Loyalität der UOK zum ukrainischen Staat wird aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) immer wieder gezweifelt. So beklagte auch Erzpriester Andriy Dudchenko, der von der UOK zur OKU übergetreten ist, das „Schweigen“ der UOK und ihrer Vertreter über die Bedrohung durch Russland. Auf Facebook erklärte er sein Unverständnis dafür und schrieb: „Ich wartete die ganze Zeit, dass auf der offiziellen Website wenn schon kein Statement anlässlich der Bedrohung, so doch wenigstens ein Aufruf zum verstärkten Gebet für den Frieden auftaucht.“ Manchmal sei Schweigen beredter als Worte, fuhr er fort, ob die UOK wohl überzeugt sei, dass nichts passiere? Zudem vermisse er die „Stimme des proukrainischen Flügels der UOK“, denn es seien längst nicht alle „Proukrainer“ zur OKU übergetreten. Er frage sich, ob die Kirchenleitung in den letzten drei Jahren die Geistlichen so sehr eingeschüchtert habe.

Der Allukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften, dessen Mitglieder am Friedensgebet teilnahmen, richtete am 15. Februar einen Aufruf an die Präsidenten der Ukraine und Russlands, den Gefangenenaustausch entsprechend der im Normandie-Format vereinbarten Bedingungen umzusetzen. Dies wäre ein erster Schritt zu einer umfassenden Deeskalation des Konflikts. Sie forderten die beiden Präsidenten auf, „alle möglichen diplomatischen Bemühungen zu unternehmen, um ein schreckliches Blutvergießen in unserem Land zu verhindern“, das auf Generationen Folgen hinterlassen würde, und sich stattdessen um einen „starken, gerechten Frieden zwischen unseren Ländern“ zu bemühen. Diesen Aufruf unterstützte auch die UOK.

Friedens- und Gebetsaktivitäten gab es auch in den einzelnen Kirchen der Ukraine, so wurde am 15. Februar mit dem Segen Epifanijs in allen Kirchen der OKU für die Ukraine, ihre Soldaten, den Sieg der Wahrheit und gerechten Frieden gebetet. Das Volk müsse dafür bereit sein, wenn sich Moskau von seinem achtjährigen „versteckten Krieg gegen die Ukraine“ zu einem „offenen Krieg“ überzugehen entscheide. Die Wahrheit sei auf der Seite der Ukraine und ihres Volks, das „für sein Zuhause und sein Land kämpft und nicht für etwas Fremdes“. Und dort, wo die Wahrheit sei, sei auch Gottes Hilfe und der Sieg. Auch Großerzbischof Svjatoslav von der UGKK bat in seiner Predigt am 13. Februar Gott darum, die Freiheit, die er der Ukraine vor 30 Jahren geschenkt habe, heute zu bewahren sowie das Land und das Volk zu beschützen. Mosche Asman, der Hauptrabbiner der Ukraine, rief in einem Interview dazu auf, nicht in Panik zu geraten. Panik sei das schlimmste, man könne alles ruhig aufnehmen, sagte er gegenüber lenta.ua. Seine Gemeinschaft bereite sich auf alles vor, außerdem „müssen wir in solchen Momenten alle zusammenstehen“. Man solle sich auch nicht vom Abzug ausländischer Diplomaten beunruhigen lassen, sondern sich ruhig auf jegliche Entwicklungen vorbereiten. Seiner Meinung nach überschneiden sich in der Ukraine die geopolitischen Interessen verschiedener Länder, deshalb müsse das Land lernen, wie Israel mit einer ständigen Bedrohung zu leben. Dabei sollten die Menschen normal leben, aber immer auf alles vorbereitet sein. (NÖK)

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