Ukraine: Verbot von aus Russland geleiteten Kirchen in erster Lesung angenommen
Eine lange diskutierte Einschränkung der Aktivitäten „russischer“ Kirchen in der Ukraine hat eine erste Hürde genommen. Am 19. Oktober nahm die Verchovna Rada in erster Lesung den Gesetzesentwurf Nr. 8371 mit 267 Stimmen an, 15 Abgeordnete waren dagegen. Mit dem Entwurf soll das Gesetz zur Religionsfreiheit so angepasst werden, dass die Tätigkeit von religiösen Organisationen in der Ukraine verboten wird, die aus einem Land geleitet werden, das einen bewaffneten Angriff auf die Ukraine verübt hat. Die Vorlage zielt auf die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK), die bis im Mai 2022 Teil der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) war.
Das von Ministerpräsident Denys Schmyhal eingereichte Gesetz sieht vor, dass der Staatsdienst für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit zunächst feststellt, dass eine bestimmte religiöse Organisation ihr Zentrum in Russland hat. Danach soll der Staatsdienst anordnen, diesen Zustand mittels der Anpassung von Statuten oder anderen Normen zu beheben. Falls die religiöse Organisation dem nicht nachkommt, leitet der Staatsdienst ein Verfahren ein und das zuständige Gericht entscheidet über ein Verbot. Die UOK ist keine eigene juristische Person, sondern alle ihre Gemeinden, Eparchien, Institutionen und sonstigen Einrichtungen sind einzeln als Rechtspersonen registriert. Daher müsste das Verfahren auf jede einzelne Körperschaft angewendet werden.
Der Gesetzesentwurf gilt als der mildeste von mehreren im ukrainischen Parlament hängigen Vorstößen gegen die UOK. Um in Kraft zu treten, muss er in einer zweiten Lesung angenommen und dann vom ukrainischen Präsidenten bestätigt werden. In der zweiten Lesung können Änderungen am Gesetz vorgenommen werden. Abgeordnete von Europäische Solidarität (ES), der Partei des ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko, hatten schärfere Maßnahmen gefordert. Trotz eines eigenen hängigen Gesetzesentwurfs unterstützten sie den Vorschlag Nr. 8371 in der ersten Lesung, um „das Thema vorwärtszubewegen“, wie Iryna Heraschtschenko von ES auf Facebook schrieb – „Der erste Schritt zur Ausräucherung der Moskauer Popen von der ukrainischen Erde ist getan!“ Sie kündigte an, mit ihren Parteikollegen Anpassungen für die zweite Lesung vorzubereiten.
Das Oberhaupt der UOK, Metropolit Onufrij (Berezovskij), erklärte in seiner Sonntagspredigt am 22. Oktober, dass „wir auf niemanden böse sind“. Das administrative Zentrum seiner Kirche befinde sich in der Ukraine, in Kyjiw, betonte er. Egal was mit der UOK passiere und welche Entscheidungen getroffen würden, „werden wir trotzdem alle lieben. Wir werden Gott lieben, unser Land, unser Volk, unsere Regierung, unsere Armee“. Die UOK werde die Menschen lieben und für sie beten, weil sie die Kirche der Liebe sei. Die juristische Abteilung der UOK erklärte, der Gesetzesentwurf verletze das Recht auf Glaubensfreiheit der Anhänger der UOK. Er widerspreche auch der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Verfassung der Ukraine.
Am 19. Oktober traf sich außerdem der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal mit dem Allukrainischen Rat der Kirchen und religiösen Organisationen, um Herausforderungen durch den russischen Angriffskrieg zu besprechen. In vielen Bereichen wie der humanitären Hilfe, Unterstützung von Flüchtlingen, sozialen Projekten und internationalen Lobbyarbeit arbeiteten die Religionsgemeinschaften und der Staat „synchron“, sagte Schmyhal. Deshalb anerkenne die Regierung die „riesige Bedeutung“ der Arbeit der Religionsgemeinschaften und werde sie „maximal fördern“. Zudem schätze der Staat die Rolle der Glaubensgemeinschaften bei der Stärkung der Wehrfähigkeit der Ukraine als hoch ein. Ein wichtiges Thema für die Regierung und die Religionsgemeinschaften sei das „Blockieren von Versuchen des Feindes, die Kirche und Gläubigen zum Schaden der nationalen Sicherheit der Ukraine zu benutzen“. Er zeigte sich überzeugt, dass sie in diesem Bereich gemeinsam „energisch und effektiv“ handeln würden.
Die Vertreter der UOK im Rat der Kirchen und religiösen Organisationen durften am Treffen nicht teilnehmen, obwohl sie vom Rat im Voraus angemeldet worden waren. Die Regierung gab laut der UOK keine Gründe für die Ablehnung an. Es sei das erste Mal, dass ein autorisiertes Mitglied des Rats nicht zu einem Treffen mit dem Regierungschef zugelassen wurde. Die UOK beklagte dies als Diskriminierung, die dem ukrainischen Gesetz über die Glaubensfreiheit widerspreche. Sie wertete die Abweisung zudem als Zeichen für eine allgemeine Politik der Diskriminierung ihr gegenüber. (NÖK)