Estland: Präsident weist Reform des Religionsgesetzes erneut zurück
Der estnische Präsident Alar Karis hat die angepassten Änderungen am Religionsgesetz, die vom Parlament am 18. Juni verabschiedet worden waren, ein zweites Mal als nicht verfassungskonform zurückgewiesen. Das Ziel, den Einfluss ausländischer Mächte – insbesondere des Moskauer Patriarchats – auf Kirchen zu stoppen, werde mit diesem Gesetz nicht erreicht, denn „zusätzlich zu notwendigen Restriktionen führt es auch vage Regelungen ein, die exzessive Interpretationen ermöglichen und letztlich zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten führen werden,“ hielt der Präsident fest.
Die von ihm im Mai geforderten Anpassungen seien unzureichend umgesetzt worden, und das Gesetz stehe immer noch mit der Versammlungs- und Religionsfreiheit in Konflikt, so Karis: „Dem ausländischen Einfluss muss entgegengewirkt werden, aber dazu muss klarer definiert werden, welche Auslandsbeziehungen tatsächlich gefährlich sind. In der Gesetzesbegründung heißt es ausdrücklich, dass über die Regelung der Verwaltungsbeziehungen hinaus auch die Absicht besteht, kirchliche Lehren und religiöse Riten zu regeln. Es gibt andere wirksame Mittel zur Bekämpfung von Beeinflussungsaktivitäten, so dass ein so weitreichendes Eingreifen nicht notwendig ist. Darüber hinaus ist der Begriff der ‚Bedrohung‘ im Gesetz so weit gefasst, dass es nach dem Wortlaut des Gesetzes ausreicht, wenn die Gewalt vor Jahrzehnten oder noch länger zurückliegt. Damit erfasst das Gesetz auch religiöse Organisationen, deren Einschränkung nicht im Einklang mit den beabsichtigten Zielen des Gesetzes stehen würde.“
Das estnische Parlament hatte erstmals am 9. April Anpassungen des Religionsgesetzes verabschiedet, die Präsident Karis zurückwiesen hatte. Am 18. Juni hatte das Parlament zum zweiten Mal Änderungen am Gesetz beschlossen, die von der Opposition und der Estnischen Christlichen Orthodoxen Kirche (ECOK), die dem Moskauer Patriarchat untersteht, als oberflächlich und kosmetisch kritisiert wurden.
Für Innenminister Igor Taro bedeutet die erneute Zurückweisung der Gesetzesänderungen durch den Präsidenten, dass dieser das Gesetz für unnötig erachte. Bei den letzten verabschiedeten Änderungen habe man sich an Karis‘ Instruktionen orientiert. Nach dem erneuten Veto des Präsidenten werde das Innenministerium nun den parlamentarischen Rechtsausschuss konsultieren, der dem Parlament vorschlagen kann, das Gesetz in seiner jetzigen Fassung zu verabschieden oder den Text entsprechend der Entscheidung des Präsidenten noch einmal zu ändern. Sollte das Parlament das Gesetz verabschieden, könnte der Präsident es dem Obersten Gerichtshof vorlegen.
Regula M. Zwahlen