Polen: Erstmals Frauen zu Pfarrerinnen ordiniert
Die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen hat am 7. Mai einen historischen Schritt getan, als der Leitende Bischof Jerzy Samiec im Rahmen eines Gottesdienstes in der Warschauer Dreifaltigkeitskirche erstmals neun Frauen zu Pfarrerinnen ordinierte. Das Ereignis war ein Meilenstein, der den Abschluss einer in der polnischen Kirche seit Jahrzehnten geführten Diskussion um das Thema Frauenordination markierte. Der Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes (LWB) für die Region Mittel- und Osteuropa, Urmas Viilma, vertrat die weltweite Gemeinschaft lutherischer Kirchen in dem Ordinationsgottesdienst und sagte: „Die ganze lutherische Weltgemeinschaft feiert und freut sich heute mit Ihnen!“ Er wies darauf hin, dass das Bekenntnis des LWB zur Teilhabe von Frauen am ordinierten Amt „schon von sechs aufeinander folgenden Vollversammlungen als klares Ziel formuliert worden ist“ und dass „mit Blick auf dessen Umsetzung in den vergangenen Jahrzehnten beeindruckende Fortschritte erzielt wurden“.
Im vergangenen Oktober hatte die Synode der polnischen Kirche für die Ordination von Frauen gestimmt und damit den Weg frei gemacht, dass auch Frauen die Leitung von Gemeinden übernehmen und für das bischöfliche Amt kandidieren können. Schon seit 1999 durften Frauen das Amt einer Diakonin übernehmen, Gottesdienste leiten und das Sakrament der Taufe spenden. Seit 2016 durften sie das Abendmahl feiern.
Erzbischof Viilma dankte den neu ordinierten Pfarrerinnen, „ihre Berufung trotz der vielen Herausforderungen in den letzten Jahren nicht aufgegeben zu haben“. Und er würdigte auch „die vielen anderen Frauen, die der lutherischen Kirche in Polen ihr ganzes Leben lang als Theologinnen, Diakoninnen, Katechistinnen, Sonntagsschullehrerinnen, Jugendleiterinnen und in vielen weiteren Funktionen gedient haben“.
Halina Radacz, eine der neu ordinierten Pfarrerinnen, sprach in ihrer Predigt über die wahren Kennzeichnen einer christlichen Nachfolge. „Wir wollen über Liebe sprechen und Zeugnis dafür ablegen; wir wollen über die Gleichberechtigung aller sprechen und zeigen, dass sie möglich ist; wir wollen einen von gegenseitigem Respekt geprägten Umgang lehren und vorleben, wie das geht“, sagte sie. „Und vielleicht nähern wir uns damit der Vorstellung Dietrich Bonhoeffers an, der schrieb: ‚Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.‘“
Izabela Sikora, eine weitere neu ordinierte Pfarrerin aus Stettin im Nordwesten Polens, sagte, dieses Ereignis sei für sie persönlich ein transformierendes Erlebnis, aber auch ein „symbolträchtiger Moment für alle, die nach uns kommen“. Für sie ginge es bei ihrer Ordination darum, „auf Gottes Wort zu hören, auf die Geschichte vom Anfang der Menschheit, als Gott Mann und Frau nach seinem Bilde geschaffen hat“.
Karina Chwastek-Kamieniorz arbeitet in der größten Landpfarrei Goleszów (Golleschau) in Südpolen. Sie sagte, dass sie ganz praktisch betrachtet, weiterhin die gleiche pastorale Arbeit machen würde, die sie bereits seit vielen Jahren mache – Gottesdienste leiten, Hochzeiten und Taufen feiern, Beerdigungen durchführen und Gemeindemitglieder unterrichten und zu Hause besuchen. Sie sagte aber auch, dass sie hoffe, dass die Entscheidung für die Frauenordination dazu führen würde, dass Frauen das gleiche Geld für die gleiche Arbeit bekämen und die Diskriminierung der Frau in der Kirche ein Ende finden würde.
Die LWB-Programmreferentin für Gendergerechtigkeit und Frauenförderung, Marcia Blasi, sagte: „Wir freuen uns als Gemeinschaft von Kirchen mit diesen Frauen, die sich lange auf diesen Tag vorbereitet, darauf hingearbeitet und hoffnungsvoll darauf gewartet haben, und mit der Kirchenleitung, die sich zu diesem Schritt in die richtige Richtung entschlossen hat.“ Das Engagement für Gendergerechtigkeit in Kirche und Gesellschaft sei unser gemeinsames erklärtes Ziel und unser praktisches Zeugnis für die Liebe Gottes in der Welt. (Quelle: www.de.lutheranworld.org, 10. Mai 2022)