Slowakei: Papst ruft zu aktiver Gestaltung der Zukunft auf
Zum Abschluss seines Besuchs in der Slowakei hat sich Papst Franziskus mit einem Aufruf zu mehr Mut zum Risiko an die Gläubigen gewandt. Dies gelte gerade auch für religiöse Fragen, eine „Bequemlichkeit der Gewohnheiten“ lehnte er ab. Als letzten Auftritt seiner Reise leitete der Papst die traditionelle Wallfahrt zum Marienheiligtum Šaštín, die mit einem Gottesdienst unter freiem Himmel mit rund 50‘000 Menschen endete.
Der Papst lobte die slowakischen Gläubigen für ihre Volksfrömmigkeit, warnte sie aber zugleich davor, sich mit Ritualen und alten Traditionen zu begnügen. Angesichts sozialer Missstände brauche es auch Widerspruch. Der Glaube lasse sich nicht „auf einen Zuckerguss reduzieren, der das Leben versüßt“. Es gelte, aufnahmebereit und solidarisch zu sein und den Dialog zu fördern; Egoismus und Gleichgültigkeit seien nicht hilfreich.
Der Abschlussgottesdienst in Šaštín war die größte Veranstaltung des Papstbesuchs vom 12. bis 15. September in der Slowakei. Zuvor hatte er sich am 12. September anlässlich des Abschlusses des Eucharistischen Kongresses in Budapest aufgehalten. Insgesamt hatten sich für die vier öffentlich zugänglichen Messen und Veranstaltungen mit dem Papst mehr als 100'000 Personen registriert. Diese Zahl lag deutlich unter den Erwartungen, allein für den Gottesdienst in Šaštín hatte man mit 350‘000 Teilnehmenden gerechnet. Die Ursache wird in den Corona-Schutzmaßnahmen vermutet, die im Vorfeld von der Kirche und der Regierung intensiv diskutiert worden waren. Ursprünglich hätten nur vollständig Geimpfte teilnehmen dürfen, aufgrund der geringen Anmeldezahlen wurden dann auch Genesene und Getestete zugelassen. Daraufhin registrierten sich noch rund 7000 weitere Personen.
Die Vertreter der katholischen Kirche in der Slowakei mahnte Papst Franziskus zu Freiheit, Kreativität und Dialog. Er warb für „eine demütige Kirche, die sich nicht von der Welt absondert und nicht aus der Distanz auf das Leben schaut“. Übertriebene Sorge um sich selbst oder das Ansehen in der Gesellschaft seien nicht so wichtig, wie das, was die Menschen von der Kirche erwarteten, sagte er in einer Rede vor Bischöfen, Priestern und Ordensleuten in Bratislava. Ohne „Raum für das Abenteuer der Freiheit, auch im geistlichen Leben“ drohe die Kirche zu einem „starren und abgeschlossenen Ort zu werden“. Eine solche eindimensionale Kirche sei – gerade für junge Menschen – wenig attraktiv, deshalb sei vor allem Kreativität gefordert. Es nütze nichts, sich in einen defensiven Katholizismus zu flüchten und die Welt zu verurteilen und anzuklagen.
Auf dem Programm der Papstreise stand auch ein Jugendtreffen in der ostslowakischen Stadt Košice, an dem 20‘000 Menschen teilnahmen. Dabei sprach sich Franziskus gegen eine „Kultur des Provisorischen“ aus und rief dazu auf, lebenslang und „mit der ganzen eigenen Person zu lieben“. Zudem warnte er vor der Schnelllebigkeit der Kommunikation mit dem Smartphone, aber auch vor Menschen, die sich ständig beschweren und andere beschuldigen. „Jammern und Pessimismus ist nicht christlich“, Gott verabscheue Traurigkeit und Selbstmitleid.
Ebenfalls in Košice besuchte Papst Franziskus eine Romasiedlung am Rand der Stadt. In Lunik IX wurden in den 1970er Jahren Roma einquartiert, um sie ins sozialistische System zu integrieren. Doch das Quartier ist zu einem völlig überfüllten und verwahrlosten Ghetto geworden, in dem der Salesianerorden eine Hilfseinrichtung betreibt. Bei seinem kurzen Besuch machte Franziskus deutlich, dass die Roma zur Kirche gehören. „Vorgefasste Meinungen, erbarmungslose Urteile, diskriminierende Stereotypen“ und Diffamierungen lehnte er klar ab und warnte vor schematischen Einteilungen von Menschen. Stattdessen sei ein „organischer, langsamer und vitaler Prozess“, beginnend mit gegenseitigem Kennenlernen, für die Integration nötig.
In Prešov feierte der Papst eine Messe im byzantinischen Ritus der Griechisch-Katholischen Kirche der Slowakei. Daran nahmen rund 40'000 Gläubige teil, die teilweise aus den Nachbarländern Ukraine und Ungarn angereist waren. Gemeinsam mit dem Papst feierte der griechisch-katholische Erzbischof und Metropolit von Prešov, Ján Babjak. Ein weiterer Programmpunkt war ein Treffen mit der jüdischen Gemeinde und einem Holocaust-Überlebenden in Bratislava. Dabei verurteilte Franziskus den Antisemitismus scharf.
Vor Vertretern aus der Politik, Diplomatie und Zivilgesellschaft betonte der Papst, Solidarität und Geschwisterlichkeit seien ebenso wichtig wie Konjunkturpakte der EU, um die Folgen der Pandemie zu überwinden. Die Sorge um andere trage zu einem erfüllteren Leben bei. Außerdem erklärte er, die Slowakei sei mit ihrer vom Christentum geprägten Geschichte als „Mittelland“ dazu berufen, „eine Botschaft des Friedens im Herzen Europas zu sein“. Die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová betonte in ihrer Ansprache ebenfalls die christliche Tradition ihres Landes. Den Papst würdigte sie als „eine der aktuell größten moralischen und spirituellen Persönlichkeiten der Menschheit“. Insbesondere hob sie seinen Einsatz gegen Fundamentalismus, Extremismus und Antisemitismus hervor. (mit Material von Kathpress) (NÖK)
Papst Franziskus traf auf seiner viertägigen Reise in der Slowakei Vertreter aus Religion, Gesellschaft und Politik. Seine Botschaften wurden von den Gläubigen positiv aufgenommen, auch wenn die Teilnahme an den öffentlichen Messen tiefer als erwartet war.
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