Slowakei: Christdemokratie vor kommenden Wahlen total uneins
In der Slowakei wird am 16. März ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Favoritin für die Nachfolge des scheidenden Amtsinhabers Andrej Kiska ist die Vize-Vorsitzende der außerparlamentarischen liberalen Partei Progressive Slowakei, Zuzana Čaputová. Spätestens Anfang 2020 steht in Bratislava auch die nächste Parlamentswahl an. Wegen der labilen Kräfteverhältnisse in der Regierungskoalition von sozialdemokratischer Smer, rechtspopulistischer Slowakischer Nationalpartei und slowakisch-ungarischer Partei Most-Hid, ist ein früheres Datum möglich. Das christdemokratische Lager zeigt sich derweil auch mit Blick auf die anstehende Europawahl am 25. Mai und ein Jahr nach dem Mord an dem Journalisten Ján Kuciak und der folgenden gesellschaftlichen und politischen Erschütterung völlig zersplittert.
Die landesweiten Demonstrationen "für eine anständige Slowakei" nach der Ermordung des Investigativjournalisten und seiner Verlobten hatten im Vorjahr u.a. zum Rücktritt des Smer-Vorsitzenden Robert Fico als Ministerpräsident geführt und der im November 2017 gegründeten Partei Progresivne Slovensko der nunmehrigen Präsidentschaftskandidatin Čaputová Auftrieb gegeben. Nach dem Rücktritt ihres parteilosen Konkurrenten Robert Mistrík in der vergangenen Woche führt Čaputová die Umfragen klar vor EU-Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič an, der für die Regierungspartei Smer antritt. Čaputová wird auch vom amtierenden Staatspräsident Kiska unterstützt. Eine etwaige Stichwahl würde am 30. März stattfinden.
Die katholische Kirche hat zu den Wählerbewegungen bisher nicht Stellung genommen und auch keine Stellungnahme angekündigt. Fast alle ursprünglich 15 Kandidatinnen und Kandidaten nahmen im Wahlkampf in unterschiedlicher Weise und Intensität auf die christliche Wählerschaft Rücksicht. Etwa ein Fünftel der Slowaken wird von Meinungsforschern als kirchlich gebunden angesehen, aber auch in diesem Segment sind die Wählerpräferenzen keineswegs einheitlich.
Die 45-jährige Zuzana Čaputová etwa bekennt sich als gläubig, steht aber auch "zu den liberalen Werten und Rechten des Einzelnen". Schon im September 2018 trat sie bei einer Pressekonferenz im Präsidentengarten mit dem abgesetzten Erzbischof von Trnava, Róbert Bezák, auf. Čaputovás Zustimmung zum Adoptionsrecht von Homosexuellen stimme er nicht zu, aber eine Frau an der Staatsspitze würde er begrüßen, meinte Bezák damals. "Die Deutschen haben ihre 'Mutti Merkel' und wir könnten jetzt eine Zuzana haben."
Unter den anderen Präsidentschaftskandidaten polarisiert vor allem Štefan Harabin. Der frühere Präsident des Obersten Gerichtshofs und Altkommunist hatte als Justizminister dem Staatsgründer Vladimír Mečiar die Stange gehalten, als dieser Mitte der 1990er Jahre den Chef der Bischofskonferenz, Bischof Rudolf Baláž (1940-2011), in Misskredit bringen wollte, und präsentiert sich jetzt als linientreuer Katholik. In der Außenpolitik schätze er Putin, Orbán und Trump, weil diese die Nationalstaaten hochhielten, sagt Harabin. Staatenvereinbarungen zum Umgang mit Migration will er ebenso kündigen wie das "Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt".
Eben diese "Istanbul-Konvention" ist auch ein rotes Tuch vor allem für zwei neue christdemokratischen Parteien in der Slowakei, die der früheren Regierungspartei KDH (Christlich-demokratische Bewegung) das Wasser abgraben wollen. Der Konflikt, der sich vor Jahresfrist angebahnt hatte, als Alojz Hlina als Vorsitzender der bei den Nationalratswahlen 2016 aus dem Parlament geflogenen KDH bestätigt wurde, ist knapp vor der Präsidentenwahl eskaliert. Anna Záborská, seit 2004 im Europäischen Parlament, hat mit Boris Škripek die Christdemokratische Union gegründet, da ihr Hlina ein nochmaliges Ticket für ein etwaiges Europaparlamentsmandat verweigert. Zur Istanbul-Konvention sagt sie, diese habe den Schutz der Frauen vor Gewalt nur vorgeschützt, um die sogenannte "Genderideologie" in einem rechtlich bindenden Dokument zu verankern.
Ganz auf die Gegnerschaft zur von der Slowakei 2011 unterschriebene, aber bis heute nicht ratifizierte "Istanbul-Konvention" abgestellt ist die zweite neue christdemokratische Partei namens Christliche Demokratie - Leben und Prosperität (KDZP). Getragen wird sie von Anton Chromík und Štefan Kuffa. Chromík war federführend am slowakischen "Referendum für die Familie" im Jahr 2015 beteiligt, das wegen zu geringer Beteiligung keine Rechtskraft erlangte. Kuffa ist ein Bruder des Priesters Marián Kuffa, der wegen seiner Arbeit mit Haftentlassenen geschätzt wird, wegen seiner rüden Kritik an "ungeordneter Homosexualität" aber umstritten ist. Das Duo Chromík und Marián Kuffa tritt im ganzen Land gemeinsam bei Veranstaltungen gegen die von ihnen als "Übel" bezeichnete Europaratskonvention.
Dass auch die konservative katholische Kernschicht völlig zersplittert ist, weckt selbst bei Außenstehenden Befürchtungen, keiner ihrer Vertreter könne bei den drei anstehenden Wahlen reüssieren. Politiker wie der "gläubige Kommunist" Štefan Harabin oder der ebenfalls kandidierende Faschistenführer Marián Kotleba könnten davon profitieren. Der bei Präsidentschaftswahlen aktuell zum dritten Mal kandidierende einstige Dissident und spätere christdemokratische Parlamentspräsident František Mikloško findet sich im luftleeren Raum wieder und liegt in Umfragen bei etwa drei Prozent. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)