Bosnien-Herzegowina: Caritas-Chef: Europa für Flüchtlinge "eine Enttäuschung"
Auf die verzweifelte Lage tausender in Bosnien-Herzegowina gestrandeter Flüchtlinge macht der Direktor der bosnischen Caritas aufmerksam. Viele von ihnen lebten in dem Balkanland angesichts von Nässe, Kälte und Hunger in Elend und „absoluter Unwürde“, sagte Tomo Knežević in einem Interview der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Diese Leute kommen weder vor noch zurück. Ihre Hoffnung ist erfroren. Hoffentlich nicht bald auch ihre Körper“, so der Caritas-Chef. Die katholische Hilfsorganisation in dem mehrheitlich muslimischen Land habe für die Menschen unter anderem Waschküchen in Bihać, Tuzla und Sarajevo aufgebaut und gebe Nahrung, Winterjacken und Hygienemittel aus. Neben der materiellen Hilfe sei auch wichtig, menschliche Wärme zu zeigen, schilderte Knežević: „Sie sind so dankbar, wenn man ihnen hilft. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele dieser Seelen tief verletzt sind. Europa ist für sie eine einzige Enttäuschung.“
In Bosnien-Herzegowina harren nach Angaben der nationalen Caritas etwa 10‘000 Flüchtlinge aus Asien und Afrika teils unter widrigsten Bedingungen aus. Die allermeisten von ihnen seien junge muslimische Männer, die ihre Heimat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hätten, so Knežević. Manche hätten schon zwanzig und noch mehr Male versucht, über die bosnisch-kroatische Grenze in die EU zu gelangen und seien immer wieder gescheitert. „Sie haben sich von Europa ein besseres Leben versprochen. Und jetzt geht es ihnen vielleicht noch schlechter als in ihrer Heimat.“
Die EU, besonders Deutschland, habe vor gut fünf Jahren „ein klares Willkommenssignal an Flüchtlinge gesandt und sie so zum Herkommen ermutigt“, meinte der Caritas-Chef. Heute hingegen würden die Menschen ausgesperrt, teils mit Gewalt zurückgedrängt und ihr Schicksal zur Abschreckung missbraucht. Der Geistliche kritisierte: „Das ist ebenso schändlich wie die Tatsache, dass Europa Bosnien-Herzegowina als seinen Hinterhof ausnutzt, zu dem man Fenster und Türen verrammelt. Wir müssen das humanitäre Drama nun ausbaden, obwohl wir selbst ein noch sehr versehrtes Nachkriegsland und von Armut geprägt sind.“ Knežević weiter: „Die EU darf in der Flüchtlingsfrage nicht den Pilatus geben und ihre Hände in Unschuld waschen. Christen dürfen das schon gar nicht.“
Auch von seinen europäischen Schwester-Organisationen fordert der Direktor von Caritas Bosnien-Herzegowina mehr Hilfe für die Flüchtlingsarbeit. Im europäischen Caritas-Netz erfahre man „leider viel zu wenig Unterstützung“, sagte Knežević der KNA. Hilfe komme zwar von den nationalen Caritas-Verbänden aus Österreich, der Schweiz, Italien, Polen und Spanien sowie Caritas-Vertretern aus Diözesen wie Eichstätt und Graz-Seckau. „Aber die meisten Caritas-Verbände in Europa schweigen. Dabei brauchen wir dringend mehr Solidarität, um unsere Arbeit fortführen zu können“, so Knežević. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)