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Bosnien-Herzegowina: Großmufti von Sarajevo: Bosnien setzt auf religiösen Dialog

11. Januar 2024

Der Terroranschlag auf Israel vom 7. Oktober und der aktuelle Nahost-Krieg haben die lange Tradition der interreligiösen Toleranz und Verständigung in Bosnien-Herzegowina nicht gestört oder gar beendet. Darauf hat der Großmufti von Sarajevo – einer Stadt mit muslimischer Mehrheit –, Husein Kavazović, im Interview mit dem Standard hingewiesen. Bereits kurz nach dem Überfall der Hamas habe er in einer gemeinsamen Erklärung mit Jakob Finci, dem Präsidenten der Jüdischen Gemeinde von Bosnien-Herzegowina, festgehalten, „dass der Konflikt im Heiligen Land nicht religiöser, sondern politischer Natur ist“. Es gehe um Territorien. „Der Glaube wird zur politischen Mobilisierung auf lokaler und globaler Ebene missbraucht“, gab Kavazović die muslimisch-jüdische Haltung wieder. 

Diese gemeinsame Botschaft sollte den Frieden und die guten Beziehungen zwischen Juden und Muslimen in der Welt und insbesondere in Bosnien und Herzegowina wahren. „Es liegt an uns, jedes menschliche Leben gleichermaßen wertzuschätzen und nach einer gerechten Lösung und dauerhaftem Frieden zu streben“, betonte das geistliche Oberhaupt der Islamischen Gemeinschaft von Bosnien-Herzegowina. Der Islam betrachte Juden und Christen als „Anhänger des Buches“, sagte Kavazović und folgerte: „Ein Muslim kann kein Antisemit sein.“ Die meisten Boten Gottes, an die Muslime glauben, seien „Nachkommen Israels“ gewesen, und die Araber – einschließlich Mohammed – ein semitisches Volk.

Abgesehen vom aktuellen Streit in Israel und Palästina hätten Muslime und Juden eine „bedeutende gemeinsame Geschichte, in der es weitaus mehr Koexistenz und Zusammenarbeit als Konflikt und Hass gibt“, erklärte der seit 2012 amtierende, 59-jährige Großmufti. „Dieser Geist muss wiederbelebt werden.“

Vorbildlich in dieser Hinsicht sei Bosnien-Herzegowina, wo laut Kavazović „schon immer ein beneidenswertes Niveau des gemeinsamen Lebens von Angehörigen verschiedener Religionen“ geherrscht habe, auch zu Zeiten, in denen es anderswo wenig Toleranz gegeben habe. „Bosnien beruhte nie auf Einheitlichkeit“, erinnerte der Großmufti. Christen verschiedener Konfessionen hätten als „unsere Nachbarn auf dem Balkan“ mit ihren Kirchen und Klöstern die fünfhundertjährige osmanische Herrschaft überlebt. „Die orthodoxe Kirche und die jüdische Synagoge wurden in der osmanischen Zeit hundert Meter von der zentralen Gazi-Husrev-Bey-Moschee entfernt erbaut“, erklärte Kavazović.

Es gebe nichts im Koran, was ein Hindernis für das Zusammenleben mit Angehörigen anderer Religionen darstellen könnte. Probleme entstünden durch die „selektive Lektüre des Heiligen Textes und sein reduktionistisches Verständnis, oft außerhalb des Kontexts“, beklagte Kavazović. „Wir haben das heute auf allen Seiten, und es muss bekämpft werden.“

Auf den Hinweis, dass sich auch in Bosnien-Herzegowina viele Muslime mit den Palästinensern solidarisieren, sagte Kavazović: „Muslime sollten und können nur auf der Seite des Opfers stehen, unabhängig davon, welcher Religion es angehört. Für uns ist jedes Leben gleich heilig.“ Mit dem Leid des palästinensischen Volkes solidarisierten sich nicht nur Muslime, für die der gemeinsame Glaube gleichwohl ein zusätzlicher Faktor sei. „Aber wir sehen, dass auch Christen in Gaza leiden und dass einige der ältesten Kirchen der Welt zerstört wurden.“ Von Stimmen, die „einen sogenannten Zusammenprall der Zivilisationen konstruieren“ wollten, distanzierte sich der Großmufti: „Solche Menschen tun niemandem einen Gefallen.“ (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)