Skip to main content

Serbien: Bischof kritisiert staatliche Mittel für Kirchenbau in der Corona-Krise

09. Juli 2020

Der serbisch-orthodoxe Bischof Grigorije (Durić) von Düsseldorf und ganz Deutschland hat die Vergabe von staatlichen Geldern an die Kirche angesichts der Coronavirus-Epidemie kritisiert. Er habe schon mehrfach darauf hingewiesen, es sollten nicht so viele Kirchen gebaut werden, denn es gebe Krankenhäuser, in denen es an allem fehle, sagte Bischof Grigorije gegenüber der serbischen Tageszeitung Danas. Als er noch Bischof der Eparchie Zahumlje-Herzegowina gewesen war, ordnete er 2013 an, dort bis auf weiteres keine Kirchen zu bauen. Potentielle Spender rief er dazu auf, ihr Geld stattdessen für den Bau von Kindergärten, Schulen, Gesundheitseinrichtungen und an humanitäre Organisationen zu spenden. Nun wiederholte er, man solle Krankenhäusern und Schulen helfen. Er habe nichts gegen den Bau von Kirchen, wenn dies möglich sei, aber er glaube, es gebe genug. Außerdem nützten die Kirchen nichts, wenn sie leer blieben.

Hintergrund der Aussagen Grigorijes ist der Entschluss der serbischen Regierung, der SOK aus den Budgetreserven 1 Mia. Dinar (ca. 8,5 Mio. Euro) für den weiteren Ausbau der Sveti-Sava-Kathedrale in Belgrad zuzuteilen. Zugleich soll die Stadt Novi Pazar, in der vom Coronavirus besonders betroffenen Region Sandžak in Südserbien, lediglich 91 Mio. Dinar erhalten. Der Regierungsentscheid stieß auf verbreitetes Unverständnis, da das serbische Gesundheitswesen angesichts steigender Coronavirus-Fallzahlen stark unter Druck ist. So sagte Rade Panić, der Vorsitzende der Ärzte- und Apothekervereinigung Serbiens, es sei kaum der richtige Moment, Mittel für den Bau einer Kirche zu sprechen. Alle verfügbaren Finanzmittel sollten in das Gesundheitswesen fließen, denn in vielen Krankenhäusern fehle es an Schutzausrüstung. Zudem hätten Krankenschwestern und Ärzte begonnen zu kündigen. Panić ist außerdem überzeugt, dass die offiziellen Zahlen zu Erkrankten und Getesteten manipuliert sind. Dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić wird vorgeworfen, sich mit dieser Art der Zuteilung von Mitteln die Unterstützung des serbischen Patriarchen Irinej zu erkaufen.

Das Büro des Patriarchen kritisierte in einem Statement Bischof Grigorije und die Zeitung Danas scharf. Die Sveti-Sava-Kathedrale sei „außerordentlich wichtig“ und ein Baustopp würde nichts an der Coronavirus-Situation ändern. Außerdem unterstütze die SOK Krankenhäuser und das Gesundheitssystem sowie viele andere Institutionen. Grigorije wird vorgeworfen, selbst auch nicht mehr für das Gesundheitswesen getan zu haben. Seine Aussage sei, wie so oft, „populistisch und politisch und zielt auf Popularität in antiserbischen und autochauvinistischen Kreisen“.

Laut Ärzten aus den Krankenhäusern im Sandžak fehlt es dort an grundlegender medizinischer und Schutzausrüstung. Zivilgesellschaftliche Organisationen in Serbien und Bosnien-Herzegowina haben Kampagnen gestartet, um die Gesundheitseinrichtungen zu unterstützen. Lokale Behörden verkündeten Ende Juni, es habe innerhalb einer Woche fast 800 neue Infektionsfälle ngen gegeben. Doch die serbischen Gesundheitsbehörden beteuern, die Zahlen lägen viel tiefer, bei rund 90 Neuansteckungen. Das Balkan Investigative Reporting Network deckte im Juni jedoch auf, dass die offiziellen Angaben zur Sterberate und den Infektionszahlen zu tief angegeben wurden. Als die serbische Ministerpräsidenten Ana Brnabić und Gesundheitsminister Zlatibor Lončar Novi Pazar am 30. Juni besuchten, ernteten sie Pfiffe und Buhrufe von Protestierenden.

In Serbien gerät die Situation zusehends außer Kontrolle: Aufgrund der stark gestiegenen Fallzahlen hatte Präsident Vučić wieder die Einführung einer Ausgangsperre am Wochenende angekündigt. Nach massiven Protesten in Belgrad am 7. Juli, bei denen einige Demonstranten sogar in das Parlament eindrangen, zog Vučić die Ausgangssperre jedoch wieder zurück. (NÖK)