Serbien: Deklaration zur gemeinsamen Zukunft des serbischen Volks
An seiner Versammlung in Belgrad hat der „Allserbische Rat“ eine Deklaration „Über den Schutz der nationalen und politischen Rechte und gemeinsamen Zukunft des serbischen Volks“ verabschiedet. Der Rat bestand aus Vertretern der Regierungen und Parlamente Serbiens und der Republika Srpska, der serbisch dominierten Entität von Bosnien-Herzegowina, inklusive ihrer jeweiligen Präsidenten. Ebenfalls beteiligt war der serbische Patriarch Porfirije und weitere Bischöfe und Geistliche der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK). Die Veranstaltung am 8. Juni begann mit einem Gottesdienst in der Sava-Kathedrale. Außerdem gab es folkloristische Darbietungen und zum Abschluss ein Feuerwerk. Am öffentlichen Teil der Veranstaltung auf dem zentralen Platz der Republik versammelten sich rund 7000 Personen, weit weniger als erwartet.
Die Deklaration umfasst 49 Punkte und wurde einstimmig angenommen. In den ersten Punkten erläutert sie die Zusammensetzung und das Funktionieren des Allserbischen Rats, der am 8. Juni zum ersten Mal stattfand. Er soll künftig alle zwei Jahre stattfinden und zielt auf die „vollständige Realisierung des Prozesses der nationalen Versöhnung und Überwindung historischer Trennungen innerhalb des serbischen Volks“. In Punkt 9 dankt der Rat der SOK, da sie das „serbische Volk in den schwersten Zeiten und im biologischem, aber auch kulturellen und pädagogischen Sinn bewahrt hat“. Dabei erklärt er, alle Religionen zu respektieren, die Religionsfreiheit zu unterstützen und die „unersetzliche Bedeutung der Mitglieder des serbischen Volks“ anzuerkennen, die anderen Religionen angehören. In Punkt 10 anerkennt der Rat die SOK als eine der „Säulen der nationalen, kulturellen und spirituellen Identität“ der Serben und ruft nach einer engeren Zusammenarbeit zwischen kirchlichen und staatlichen Organen in „kulturellen Fragen, wie der Bewahrung traditioneller christlicher Werte, der Bewahrung des Heiligtums der Ehe und der Familie“ auf.
In der Deklaration wird ausführlich die Bedeutung von Kosovo und die dortige Situation thematisiert. Zwar anerkennt die Deklaration alle Opfer der jugoslawischen Zerfallskriege, verurteilt aber die kürzlich verabschiedete UN-Resolution zum Genozid in Srebrenica. Gegen diese hatte Serbien lobbyiert, die SOK hatte sie ebenfalls mehrfach kritisiert. In Bezug auf Bosnien-Herzegowina hob der Rat die Bedeutung des Friedensabkommens von Dayton hervor und rief zu seiner Befolgung auf. Die Integration Serbiens und der Republika Srpska in die EU wird als „strategisches Ziel“ genannt, die militärische Neutralität Serbiens in Bezug auf „alle bestehenden Militärbündnisse“ unterstützt. Ein weiteres Anliegen des Rats ist die Bewahrung und Pflege der serbischen Kultur und Nationalidentität, insbesondere der Sprache und kyrillischen Schrift als deren zentraler Stütze, dazu schlägt er eine Reihe Maßnahmen vor. Zudem fordert er Serbien und die Republika Srpska auf, gemeinsam das historische Gedenken zu pflegen und die Erinnerung an die serbischen Opfer aller Kriege zu bewahren. Weiter befürwortet der Rat eine stärkere Annäherung zwischen Serbien und der Republika Srpska in Bildung, Wirtschaft, Landwirtschaft und Infrastruktur. Abschließend findet der Rat, dass die staatlichen Organe des serbischen Volks den „Völkern in der Umgebung ein Abkommen über historische Versöhnung, dauerhaften Frieden und Entwicklung anbieten sollten“.
Neben der Deklaration unterschrieb der Rat auch Memoranda über die Zusammenarbeit in der Kultur, Landwirtschaft und Wirtschaft. Zudem kündigte er den gemeinsamen Aufbau von Gedenkzentren in Belgrad und Donja Gradina für die Opfer der kroatischen faschistischen Ustascha im Zweiten Weltkrieg an. Die Opposition in Serbien lehnte die Einladung zur Teilnahme am Rat ab. Sie betrachtet die Veranstaltung als Versuch, das Ansehen der Regierungspartei von Präsident Aleksandar Vučić zu stärken. Die Parlamente von Serbien und der Republika Srpska sollen in den kommenden 90 Tagen die Deklaration bestätigen.
Milorad Dodik, der Präsident der Republika Srpska, sprach wieder einmal von einer möglichen friedlichen Loslösung von Bosnien-Herzegowina. Einige Tage zuvor hatte er angekündigt, ein Referendum über die Unabhängigkeit der Republika Srpska abhalten zu wollen. Vučić betonte unterdessen, dass „alles im Rahmen von Dayton und auf friedlichem Weg“ gelöst werden sollte, und bat „eine Million Mal, dass Sie darüber nachdenken, wie sehr wir alle Frieden brauchen“. Auch Patriarch Porfirije rief zum Aufbau von Frieden mit allen auf, während die Serben sich selbst treu bleiben und in der Region und der Welt vereint sein sollten. Der Rat diene in erster Linie dem Wohl des eigenen Volks, aber auch aller, „die mit uns und um uns herum leben“.
Kritik an der Deklaration und am Rat kam neben der Opposition in Serbien auch aus Bosnien-Herzegowina. Denis Bećirović, das bosniakische Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowina und dessen gegenwärtiger Vorsitzender, bezeichnete den Allserbischen Rat als „gefährliches Projekt“ von Präsident Vučić, das die „friedliebende und gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen europäischen Staaten“ bedrohe. Außerdem unterstellte er eine „direkte Verbindung zu Versuchen Russlands, Südosteuropa zu destabilisieren und die Aufmerksamkeit von der russischen Aggression gegen die Ukraine abzulenken“. Željko Komšić, das kroatische Mitglied des dreiköpfigen Präsidiums von Bosnien-Herzegowina, sagte, die Deklaration sei eine „politisch-religiöse Plattform“, die als „Basis für die Sammlung und Vorbereitung für einen neuen Konflikt“ dienen solle. Insbesondere die Haltung gegenüber Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Montenegro sei aggressiv. Es sei gefährlich, diese Plattform zu unterschätzen, betonte er. (NÖK)