Serbien: Orthodoxe Kirche befürwortet Organtransplantationen
Die Serbische Orthodoxe Kirche (SOK) hat in einem Statement vom 22. Oktober bekräftigt, dass sie Organtransplantationen unterstützt. Ihr Oberhaupt Patriarch Porfirije spende, teilweise öffentlich, mindestens zweimal jährlich Blut, und alle Kirchgemeinden in Belgrad stellten bei Bedarf ihre Räumlichkeiten für Blutspendeaktionen zur Verfügung. Bekanntermaßen seien einige serbische Bischöfe als Organspender registriert, andere Geistliche hätten das ebenfalls getan, ohne öffentlich darüber zu sprechen.
Die SOK befürwortet Organtransplantationen unter der Bedingung, dass der Spender seine Organe freiwillig zur Verfügung stellt, und dass die Familie nach dem Tod des Spenders damit einverstanden ist. Zudem muss der Tod des Spenders von professionellem medizinischem Personal entsprechend ethischer Richtlinien festgestellt werden, heißt es in dem Statement weiter. Auch die Organspende von Lebenden sei zulässig, solange das Leben des Spenders nicht gefährdet wird. Angesichts der wachsenden sozialen Ungleichheit und historischen Erfahrungen mit Organhandel in der Region ist für die SOK außerdem wichtig, dass Transplantationen von absolut integrem medizinischem Personal gehandhabt werden.
Ausdrücklich weist die SOK darauf hin, dass diese Position bereits 2004 von der Bischofsversammlung verabschiedet wurde. Die Aussage des Gesundheitsministers, man „warte“ auf eine Stellungnahme der SOK zum Thema Organtransplantation, sei daher unsinnig. Auch die Klagen, dass angebliche Verhandlungen mit der SOK im Zusammenhang mit staatlichen Programmen zur Förderung von Transplantationen sehr schwierig liefen oder gar nicht wirklich begonnen hätten, weil die SOK sich verweigere, seien unberechtigt, erklärt die Kirche in ihrem Statement. Keine staatliche Behörde habe offiziell eine Stellungnahme von der SOK verlangt oder gar Verhandlungen mit ihr aufgenommen, woobei das mit Blick auf die bestehende Position auch gar nicht nötig sei.
Auslöser für das Statement der SOK waren Aussagen des serbischen Gesundheitsministers Zlatibor Lončar. Am 16. Oktober hatte er im Anschluss an die Promotion einer Kampagne zur Förderung der Organspende gesagt, dass es in dieser Angelegenheit kein Treffen mit der SOK gegeben habe. Er bestehe weiterhin auf einem Gespräch mit Patriarch Porfirije, den er schon mehrfach erfolglos um ein Treffen gebeten habe. Es stehe auch ein Ärzteteam bereit, um Fragen der Kirche zu klären. Es sei „höchste Zeit, dass wir uns alle vereinen, verantwortungsvoll sind und den Menschen helfen, die auf eine Organtransplantation warten“. An einem Gesetz werde gearbeitet, aber schon heute hindere einem nichts daran, Organe zu spenden.
In Serbien stehen aktuell rund 2000 Personen auf Wartelisten für eine Organspende. Gemessen an der Zahl durchgeführter Transplantationen liegt Serbien in Europa auf dem letzten Platz und auch weltweit weit hinten, besagen Angaben des Vereins „Spenden ist Heldentum“ (donorstvo je herojstvo). Der Verein setzt sich seit Jahren für gesetzliche Anpassungen ein, um die Prozeduren bei Organtransplantationen zu beschleunigen und vereinfachen. 2018 hatte das serbische Parlament ein Gesetz verabschiedet, wonach die Bürger:innen automatisch Spender sind, außer wenn sie sich zu Lebzeiten klar dagegen ausgesprochen haben. 2021 suspendierte das Verfassungsgericht auf Antrag der Serbischen Radikalen Partei (Srpska radikalna stranka) den Artikel über das angenommene Einverständnis, sodass dieses zu Lebzeiten ausdrücklich gegeben werden muss. Offenbar ist in der Praxis das größte Problem, dass nach dem Tod die Familie das letzte Wort über eine Organspende hat, sogar wenn sich die verstorbene Person in das Organspenderegister eingetragen hat und einen Spenderausweis besitzt.
Laut Umfragen sind 80 Prozent der Serbinnen und Serben gewillt, ihre Organe zu spenden. Allerdings hat sich die Mehrheit nicht registriert, weil sie dem System nicht vertrauen. Angesichts der verbreiteten Korruption im Gesundheitssystem und in der staatlichen Verwaltung befürchten viele offenbar, dass mit Organen gehandelt werden könnte, und die Organe nicht entsprechend der Dringlichkeit, sondern nach klientelistischen Prinzipien vergeben würden. (NÖK)