Montenegro: Debatte um Religionsunterricht an öffentlichen Schulen
Metropolit Joanikije (Mićović) von Montenegro und den Küstenländern will sich für eine Einführung des Religionsunterrichts an montenegrinischen Schulen einsetzen. „Das Recht auf Religionsunterricht gehört zweifellos zu den grundlegenden Menschenrechten und zum Recht des Kindes auf diese Art von Bildung“, erklärte Joanikije gegenüber der serbischen Tageszeitung Politika. Allerdings sei es gut, in der Frage zuvor zu einer gemeinsamen Position der Religionsgemeinschaften in Montenegro zu kommen.
Mit seinen Äußerungen reagierte Metropolit Joanikije auf die Veröffentlichung des Entwurfs für ein grundlegendes Abkommen zwischen Montenegro und der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) in der montenegrinischen Tageszeitung Vijesti am 13. September 2021. In Artikel 16 des Dokuments wird festgehalten, dass der orthodoxe Religionsunterricht in öffentlichen Schulen durch einen separaten Vertrag zwischen den beiden Parteien geregelt werden soll. Joanikije zeigte sich überzeugt, dass der montenegrinische Ministerpräsident Zdravko Krivokapić die angepasste Version des grundlegenden Abkommens mit der SOK, die die größte Glaubensgemeinschaft im Land ist, unterschreiben wird. Eine frühere Version des Abkommens war überraschend nicht geschlossen worden, obwohl es als bereit zur Unterzeichnung gegolten hatte.
In der Öffentlichkeit stießen die Äußerungen Joanikijes auf ein geteiltes Echo. Für die regierende Demokratische Front ist der Religionsunterricht ein Menschenrecht, zu dessen Schutz der Staat verpflichtet sei. Die Einführung in die Schulen sei ein logischer Schritt in einem Land, in dem über 90 Prozent der Bevölkerung gläubig seien. Die ebenfalls an der Regierungskoalition beteiligte URA sprach sich zwar nicht gegen den Religionsunterricht aus. Allerdings sei sein Platz nicht in den Schulen, denn diese gehörten der Wissenschaft und dem kritischen Überprüfen. Die Opposition lehnt Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ab, das sie befürchtet, dass dieser zu weiteren Spaltungen im multiethnischen und multireligiösen Montenegro führen könnte.
Verschiedene montenegrinische NGOs sprachen sich ebenfalls gegen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen aus. Das Centre for Civic Education (CCE) sieht die Autonomie und den säkularen Charakter der Bildung, aber auch die Demokratisierung der montenegrinischen Gesellschaft bedroht. Bildung sollte die Diversität erhalten, nicht zur Polarisierung von Kindern und Jugendlichen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit beitragen, heißt es im Statement der NGO. Das CCE verweist zudem auf die Möglichkeit, dass Religionsgemeinschaften entsprechenden Unterricht bei sich anbieten. In einer gemeinsamen Stellungnahme mit den NGOs Human Rights Action und ANIMA – Zentrum für Frauen- und Friedensbildung rief das CCE zur Einführung von Staatsbürgerkunde als Pflichtfach in öffentlichen Schulen auf und lehnte die Einführung des Religionsunterrichts ab. Dies begründeten die NGOs unter anderem damit, dass der Staat verpflichtet sei, alle Religionen und ihre Gläubigen, aber auch Nicht-Gläubige gleich zu behandeln, wobei in Montenegro 32 religiöse Gemeinschaften registriert seien. Zudem befürchten die NGOs durch die Einführung von Religionsunterricht an öffentlichen Schulen vertiefte konfessionelle Spaltungen. (NÖK)