Rumänien: Neue Kirche auf Gelände eines früheren Folter-Gefängnisses
Das Gefängnis von Piteşti in Rumänien war zur Zeit des Kommunismus ein Ort der Folter, unvorstellbarer Grausamkeiten und des Todes. Nun wird auf dem Gefängnisgrund eine neue orthodoxe Kirche errichtet, die an die Opfer der Vergangenheit erinnern soll, wie der Pro Oriente-Informationsdienst berichtete. Die feierliche Grundsteinlegung nahm der Bischof der Erzdiözese Argeş und Muscel, Calinic (Argatu), vor. Er feierte zudem vor der Grundsteinlegung vor Ort einen Gedenkgottesdienst für die tausenden Opfer von Piteşti und darüber hinaus. Für das neue Kirchenprojekt maßgeblich verantwortlich ist der örtliche Gefängnisseelsorger P. Cozmin Ionu Miloiu.
Piteşti, rund 120 Kilometer westlich von Bukarest, steht für eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Rumäniens. Das Gefängnis wurde in seiner jetzigen Form zwischen 1937 und 1941 erbaut und diente bis 1977 als Haftanstalt. Es war von 1949 bis 1952 Ausgangspunkt und einer der Hauptschauplätze des sogenannten „Piteşti-Experiments“.
Dahinter verbirgt sich eine von Teilen des rumänischen Geheimdienstes Securitate initiierte Umerziehungsmaßnahme, bei der versucht wurde, politische Gefangene physisch und psychisch zu brechen und zu „kommunistisch orientierten“ Personen zu formen. Und zwar auf die grausamste Weise durch körperliche wie seelische Folter, die vor allem von Mithäftlingen ausgeübt wurde. Betroffen waren zunächst ausschließlich Studenten, später auch andere Häftlinge.
Das Gefängnis in Piteşti wurde u.a. auch deshalb ausgewählt, weil es besonders ausbruchssicher und dermaßen weit außerhalb der zugehörigen Stadt lag, dass die Schreie der Gefolterten von der Bevölkerung nicht gehört werden konnten. Zur körperlichen Folter kamen Schlafentzug und psychische Erniedrigungen. Der Tortur konnten sich die Opfer nur dadurch entziehen, dass sie selbst zu Tätern wurden. Besonders sadistisch verhielten sich die Folterer gegenüber Theologiestudenten. Sie und andere bekennende Christen wurden besonders erniedrigenden Prozeduren ausgesetzt.
Viele der Gefolterten versuchten Suizid zu begehen, was aber meist verhindert wurde. Missglückte Suizidversuche wurden mit weiterer Folter bestraft. Manche Gefangenen starben infolge der Torturen.
Der französische Historiker François Furet betrachtete Piteşti als „eine der schrecklichsten Entmenschlichungserfahrungen, die unsere Zeit je erlebt hat“. Der russische Dissident Alexander Solschenizyn, der selbst im sowjetischen Gulag-System gelitten hatte, beschrieb das rumänische Gefängnis als „den schrecklichsten Akt der Barbarei in der heutigen Welt“.
Im Frühjahr 1951 waren praktisch alle Häftlinge in Piteşti „umerzogen“. Die Securitate entschied sich, das Experiment auf andere Gefängnisse und Lager auszudehnen, in die sie die Häftlinge aus Piteşti verlegte. Das grausame Experiment wurde bis 1952 fortgesetzt.
Inwieweit es sich beim Piteşti-Experiment um ein rein internes Projekt der Securitate gehandelt hatte oder auch kommunistische Partei- und Regierungsstellen eingeweiht waren, ist bis heute nicht geklärt. Als sicher kann gelten, dass hohe Geheimdienstoffiziere davon wussten. Anfang 1952 wurde es schlagartig beendet. Historiker sehen einen Zusammenhang mit einem Machtkampf innerhalb der kommunistischen Partei, wobei es zum Sturz von Außenministerin Ana Pauker und ihren Anhängern kam. In der Securitate verloren damals hochrangige Funktionäre ihren Posten oder auch ihr Leben.
Auch die schlimmsten Folterknechte wurden in den folgenden Jahren hingerichtet. Die verantwortlichen Hinterleute wurden hingegen nie belangt. Bis zum Ende des kommunistischen Regimes 1989 war das Thema in Rumänien tabu und auch danach kam die Aufarbeitung nur schleppend voran.
Auf einer Gedenktafel am ehemaligen Gefängnis von Piteşti heißt es u.a. wörtlich: „Tausende junger Menschen haben das Experiment durchlaufen, von denen fast einhundert unter Folter starben, und die anderen haben schwere körperliche und geistige Traumata erlitten.“ Auch im Zentrum von Piteşti erinnert inzwischen ein Denkmal an die Opfer des „Experiments“. Nun setzt auch die orthodoxe Kirche ein deutliches Zeichen des Gedenkens an die Opfer. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)