Bulgarien: Schwieriges ökumenisches Pflaster für Papst Franziskus
Papst Franziskus hat die Katholiken Südosteuropas aufgerufen, „mutig und kreativ“ zu sein und dem Vorbild der Slawenapostel Kirill und Method zu folgen. Auf seiner zweitätigen Reise nach Bulgarien am 5. und 6. Mai sprach der Papst vor allem der kleinen katholischen Minderheit Mut zu und warb für mehr Aufnahmebereitschaft gegenüber Migranten sowie einem dialogischen Miteinander der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Die Bulgarische Orthodoxe Kirche (BOK) begegnete dem Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche jedoch mit erkennbarer Reserviertheit.
Da die BOK bereits im Vorfeld des Papstbesuchs erklärt hatte, nicht an gemeinsamen liturgischen Handlungen oder Gebeten mit dem Papst teilzunehmen, war die Begegnung zwischen Papst Franziskus und Patriarch Neofit (Demitrov), dem Oberhaupt der BOK, mit besonderer Spannung erwartet worden. In Anwesenheit des Hl. Synods hieß Neofit den Papst in Bulgarien willkommen. Dessen Wunsch nach einem Treffen fasse die BOK als Zeichen des Respekts auf, dieser beruhe auf Gegenseitigkeit. In Bezug auf die Verteidigung der christlichen Wurzeln Europas und Warnungen vor zunehmender Christenverfolgung sei der Hl. Synod mit Franziskus einig. Die BOK bete für die Einheit der Christen, weil diese „vereint stärker sein werden“. Allerdings lehne sie Glaubenskompromisse klar ab. Papst Franziskus bedankte sich für das Treffen, das er „sich sehr gewünscht“ habe und betonte die Gemeinsamkeiten der Kirchen. So sprach er von den „Wunden“, die sich die Christen im Laufe der Geschichte gegenseitig zugefügt hätten. Diesen gelte es sich gemeinsam zu stellen, um gemeinsam die „Freude der Vergebung“ zu finden.
Zu Neuaufbruch und Vergebung rief Papst Franziskus auch im zentralen Gottesdienst auf dem Prinz-Alexander-Platz in Sofia auf, an dem 12‘000 Gläubige teilnahmen. Mit Gott gelinge es, „lähmende Verhärtungen zu lösen und Verdacht, Misstrauen und Angst zu überwinden. Der Überwindung von Ängsten und die Rolle von Bulgarien als Begegnungsort verschiedener Kulturen und Ethnien war ein durchgehendes Motiv bei den Gesprächen des Papstes mit Politikern und Diplomaten und bei seinem Besuch eines Zentrums für Flüchtlinge und Migranten. Dabei warb der Papst um mehr Aufnahmebereitschaft gegenüber Migranten. Die Welt der Flüchtlinge und Migranten sei „ein Kreuz der Menschheit und ein Kreuz, das viele Menschen erleiden“.
Am zweiten Tag seiner Bulgarienreise spendete Franziskus in Rakowski rund 250 Kindern die Erstkommunion, das sind fast alle katholischen Kinder dieses Jahrgangs in Bulgarien. Rakowski ist die einzige Stadt in Bulgarien, in der die Katholiken die Mehrheit stellen; insgesamt sind sie eine winzige Minderheit. Vor diesem Hintergrund forderte der Papst die Gläubigen auf, „mutig und kreativ“ zu sein und auf Gottes Beistand zu vertrauen. Dabei erinnerte er an Angelo Roncalli, den späteren Papst Johannes XXIII. (1958–1963), der von 1925 bis 1934 als päpstlicher Gesandter in Bulgarien gewirkt hatte. Von diesem stammten die Worte, er habe „nie einen Pessimisten getroffen, der etwas Gutes hervorgebracht hätte“.
Zum Abschluss seiner Reise hielt Franziskus auf dem Platz der Unabhängigkeit in Sofias Zentrum eine Friedensfeier, an der er zu einem „aktiven Frieden“ gegen Egoismus und Gleichgültigkeit aufrief. An der Feier nahmen Vertreter anderer christlicher Konfessionen sowie der jüdischen und muslimischen Gemeinschaft teil. Offizielle Vertreter der BOK fehlten dagegen, diese war lediglich durch einen Kinderchor vertreten.
Insgesamt zeigte sich Papst Franziskus „zufrieden“ mit seinem Besuch in Bulgarien. Er attestierte dem Balkanstaat eine „starke Nation“ zu sein und dankte für dessen Bemühungen, gute Beziehungen zu seinen Nachbarn zu bewahren, den Frieden zu fördern und Brücken zu bauen. Auf wenig Gegenliebe stieß der Papstbesuch jedoch bei Metropolit Nikolaj (Sevastijanov) von Plovdiv. Der Besuch des Papstes sei ein „politischer Akt“, dessen Ziel es sei, alle Kirchen unter Rom zu vereinen und dem Antichristen zuzuführen, wie eine lokale Website berichtete. Kritisch äußerte sich der in seiner Kirche keineswegs unumstrittene Metropolit auch zur ökumenischen Bewegung.
Im Gegensatz dazu bezeichnete Metropolit Naum (Dimitrov) von Ruse Papst Franziskus in einem Facebook-Post mit dem Titel „Welche Bedrohung ist Papst Franziskus für uns?“ als guten Menschen und begrüßte seine „Botschaft der Liebe und des guten Willens“. Mit seinem Besuch habe der Papst nicht beabsichtigt, Bulgaren zu Katholiken zu machen. Naum kritisierte diejenigen, die ihm eine Weltverschwörung unterstellten. Er wies darauf hin, dass die Entscheidung zum Empfang des Papstes von einer Mehrheit des Hl Synods getroffen worden sei und von allen Mitgliedern ungeachtet der persönlichen Meinung mitgetragen werden müsse. Zudem rief er dazu auf, Feindseligkeit, Hass und Neid, die in vielen Menschen wohnten, hinter sich zu lassen.
Die Katholiken bilden in Bulgarien eine kleine Minderheit von rund einem Prozent der Bevölkerung. Sie gehören sowohl der römisch-katholischen als auch der griechisch-katholischen Kirche an. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bekennt sich zur Orthodoxie, die zweitgrößte Gruppe bilden die Muslime mit ca. 10 Prozent. (NÖK; mit Material von Kathpress)
Debatten um den Papstbesuch in Bulgarien
Im Vorfeld des Papstbesuchs in Bulgarien und Nordmakedonien Anfang Mai analysiert Vladislav Atanassov in seinem Kommentar die verschiedenen kirchlichen und gesellschaftlichen Positionen in der Debatte um den bevorstehenden Besuch.
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