Republik Moldau: Metropolit kritisiert Russische Orthodoxe Kirche
Metropolit Vladimir (Cantarian) von Chişinau und der Moldau hat Patriarch Kirill eine mangelnde Unterstützung und Missachtung der Moldauischen Orthodoxen Kirche (MolOK) vorgeworfen. In einem Brief vom 5. Oktober beklagte der Metropolit, dass die MolOK immer mehr an den Rand der moldauischen Gesellschaft gedrängt werde. Grund dafür sei die Verbindung der Kirche mit der „Förderung prorussischer Interessen in der Republik Moldau“ aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Moskauer Patriarchat. Dieses werde in der moldauischen Gesellschaft als „Vorposten des Kremls und Anhänger der russischen Invasion in die Ukraine“ wahrgenommen.
Die MolOK ist eine autonome Kirche innerhalb des Moskauer Patriarchats. Der Brief von Metropolit Vladimir wurde am 20. Oktober auf der Seite des ehemaligen Parlamentsabgeordneten Vlad Cubreacov publiziert. Bischof Ioan (Mosnegutu), Sprecher der Metropolie Moldau, bestätigte gegenüber der Wochenzeitung Ziarul de Gardă die Echtheit des Schreibens. Metropolit Vladimir verweist in seinem Schreiben auf die strikte Ablehnung der moldauischen Bevölkerung gegenüber der „aggressiven Einmischung Russlands in die Angelegenheiten der benachbarten und befreundeten Ukraine“. Dies spiegele sich auch im deutlich gesunkenen Vertrauen der Bevölkerung in die Kirche wider, was „direkt mit unserer Zugehörigkeit zum Moskauer Patriarchat und dessen Rhetorik in Bezug auf die Ukraine und Moldau zusammenhängt“.
Metropolit Vladimir bemängelt zudem die mangelnde Unterstützung seiner Kirche durch das Moskauer Patriarchat seit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine. Auf viele Bitten habe seine Kirche keine Antwort oder inzwischen vergessene Versprechen erhalten. Verhandlungen und Korrespondenzen würden ignoriert, während die Zeit „sehr schnell und nicht zu unseren Gunsten“ verfliege. Konkretes Handeln sei aber nötig, um die moldauischen Geistlichen zu halten. Denn diese würden vom rumänischen Staat einen festen Lohn, Krankenversicherung und eine Rente erhalten, wenn sie zur Rumänischen Orthodoxen Kirche (RumOK) wechseln. Unerklärlich findet der Metropolit auch, dass die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) in der abtrünnigen Provinz Transnistrien Bischöfe ohne Rücksprache mit der MolOK einsetzt.
Sorge bereitet der MolOK insbesondere auch die „immer offenere und konsequentere Unterstützung“ der Regierung der Republik Moldau für die Bessarabische Metropolie der RumOK. Gläubige in der Republik Moldau und in Transnistrien bäten ihre Priester, Patriarch Kirill in den Gottesdiensten nicht mehr zu kommemorieren oder gar zur RumOK zu wechseln. Gegen das Erstarken der Bessarabischen Metropolie fühlt sich die MolOK machtlos. Jeder Schritt, mit dem sie sich dagegen wehren könnte, würde als „antinationale Sabotage gewertet“, befürchtet Vladimir.
Sorge bereitet Metropolit Vladimir zudem, dass die ROK die MolOK in die „Russische Welt“ integrieren will, die „unseren nationalen Bestrebungen und Werten fremd ist“. Leider verfolge die ROK weiterhin ein „Denationalisierung“ der Republik Moldau, die im russischen Zarenreich begonnen und in der Sowjetunion weitergeführt worden sei. Die weltlichen und kirchlichen Mächte in Russland betrachteten „uns als peripheres und rückgratloses Volk“ ohne Recht, selbst für sich zu entscheiden, heißt es in dem Brief weiter.
Sergei Chapnin, Kommunikationsdirektor am Orthodox Christian Studies Center der Fordham University, bezeichnete den Brief als wichtiges Dokument und „ehrliche und nüchterne Sicht“ auf die politischen und kirchlichen Entwicklungen in der Republik Moldau. Das Wichtigste sei, dass Metropolit Vladimir einem Verbleib der MolOK in der ROK kritisch gegenüberstehe. Mit seiner Loyalität zum Regime habe sich Patriarch Kirill Macht und Ressourcen gesichert, dafür habe er an Autorität und Einfluss im Ausland verloren, so Chapnin im Interview mit Radio Europa Liberă Moldova. Früher oder später werde er alle autonomen Kirchenstrukturen außerhalb Russlands verlieren. Metropolit Vladimir versuche den Bruch kultiviert und friedlich zu vollziehen, doch das werde ihm angesichts der Kompromisslosigkeit des russischen Patriarchen kaum gelingen.
Offenbar hat das Moskauer Patriarchat bisher nicht auf den Brief geantwortet. Dennoch sieht Sergei Chapnin ein Nachgeben Kirills. So wurde Archimandrit Filaret (Cuzmin) am 22. Oktober zum Bischof geweiht. Vladimir wollte das schon vor einem Jahr tun, Kirill widersprach jedoch dem Entscheid und blockierte ihn. Auch dies hat Metropolit Vladimir in seinem Brief kritisiert. Nun bestätigte Kirill die Kandidatur nicht nur, sondern willigte auch ein, dass die Weihe in Chişinau und nicht in Moskau stattfand.
An seiner Sitzung am 25. Oktober beschloss der Hl. Synod der MolOK sechs Priestern ihre Priesterwürde abzuerkennen. Diese hatten ihre Gemeinden aufgrund der schwierigen materiellen Lage verlassen, um sich der RumOK anzuschließen. Die Bessarabische Metropolie hält die Aberkennung der Priesterwürde für ungültig, weil sie sich als einzig legitime orthodoxe Kirche in der Republik Moldau betrachtet. Weiter versprach die Bessarabische Metropolie sich zu bemühen, alle Gemeinden im Land in ihren Schoss zurückzuführen. Sie rief alle, „die sich von russischen Eparchien eingeschränkt fühlen“, „diese Sklaverei zu verlassen“ und sich der RumOK anzuschließen. Unterstützung erhält die Bessarabische Metropolie auch vom rumänischen Staat. Im Oktober entschied der Senat, sie künftig mit 2 Mio. Euro jährlich zu unterstützen. Die Initiative wurde auch von der Opposition unterstützt. (NÖK)