Kosovo: Regierung bestreitet Gefährdung des Klosters Dečani
Die kosovarische Regierung hat Vorwürfe zurückgewiesen, dass das Kloster Visoki Dečani der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) gefährdet sei. Sie kritisierte die Einstufung des Klosters als eine der sieben am stärksten bedrohten Kulturerbestätten Europas durch den Denkmalschutz-Verbund Europa Nostra. Dessen Argumente betrachtet sie als voreingenommen und politisch motiviert.
Europa Nostra ist ein Verband von Organisationen, die sich für den Schutz des Kultur- und Naturerbes in Europa engagieren. Seit 2013 erstellt er jährlich eine Liste bedrohter Stätten. Vorgeschlagen werden diese von Europa Nostra-Mitgliedern, ausgewählt werden sie von einem internationalen Beratungsgremium des Verbands. Die Auswahl beruht auf der „außerordentlichen Bedeutung“ und dem „kulturellen Wert“ der betreffenden Stätten sowie der „ernsten Gefahr“, die ihnen droht. Ein weiteres Kriterium ist das Potenzial der Stätten, als „Katalysator für eine nachhaltige sozio-ökonomische Entwicklung ihrer Umgebung und weiteren Region zu dienen“.
Im Fall des Klosters Visoki Dečani wird die Platzierung mit seinem Status als UNESCO-Welterbe in Gefahr begründet. Zudem führt Europa Nostra an, dass das Kloster rund um die Uhr von KFOR-Truppen geschützt wird und trotzdem mehrfach angegriffen wurde. Außerdem drohten dem Kloster und seiner geschützten Zone „ernste Umweltgefahren“. Die Raumplanung der Gemeinde entspreche nicht den Regeln für eine UNESCO-Welterbestätte, aber auch nicht den nationalen Gesetzen und Regelungen. Zudem bestehe die Gefahr, dass Land des Klosters enteignet werde. „Besonders gefährlich“ sei der Plan, eine Magistrale in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kloster zu bauen. Das Beratungsgremium bedauert, dass Visoki Dečani eine „Geisel des ungeklärten Status von Kosovo geworden ist“. Es sei dringend nötig, geltendes Recht anzuwenden und „dem Schutz dieser Welterbestätte innerhalb der laufenden Gespräche über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Prishtina mehr Aufmerksamkeit zu widmen“.
Nachdem Visoki Dečani im Dezember in der zwölf Stätten umfassenden Vorauswahl aufgenommen worden war, hatten sich die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani und Premierminister Albin Kurti am 18. März in einem Brief an Europa Nostra gewandt. Darin wollten sie die Organisation mit „offiziellen und überprüften Informationen“ davon überzeugen, dass das Kloster nicht gefährdet sei, wobei sie seine Bedeutung und seinen kulturellen Wert anerkennen. Sie bestritten jedoch Angriffe auf das Kloster und kritisierten den Begriff „lokale Extremisten“ als „absichtlich übertrieben“. Sie verwiesen auf den „drastischen Rückgang inter-ethnischer Zwischenfälle“ in den letzten zehn Jahren in Kosovo und auf die Kultivierung einer „sehr besonderen Tradition interreligiöser Harmonie“. Die kosovarischen Sicherheitskräfte würden die orthodoxen Kirchen in Kosovo seit Jahren in Zusammenarbeit mit internationalen Friedenstruppen schützen.
In Bezug auf den Umweltschutz in Kosovo räumte die Staatsführung Probleme ein, allerdings seien die staatlichen Behörden bemüht, eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Die Bezeichnung der Straße in der Nähe des Klosters als „internationaler Highway“ sei falsch und beabsichtige, die von ihr ausgehende mögliche Gefahr ungerechtfertigt zu vergrößern. Gegen den Ausbau der Straße hatte das Kloster schon früher protestiert.
„Zutiefst besorgt“ zeigten sich Osmani und Kurti über die Aussage, dass der Status von Kosovo ungelöst sei. Zudem betonten sie, der Staat garantiere alle Minderheitenrechte im Land und setze den Ahtisaari-Plan in Bezug auf den Schutz von kulturellem und religiösem Erbe um. Die SOK genieße zwar all diese Rechte, weigere sich aber, den Staat Kosovo anzuerkennen, was eine Vorbedingung für den Genuss seiner Rechte sei. Die Verbindung zwischen den Verhandlungen zwischen Serbien und Kosovo und dem Schutz des Klosters lehnten sie kategorisch ab. Dabei handle es sich um einen verdeckten politischen Plan, der nichts mit Kulturerbe zu tun habe.
In einer kurzen Reaktion lobte der Leiter von Europa Nostra die Absicht Kosovos, sich für den Erhalt von Kultur- und Naturerbe einzusetzen, und die Bereitschaft zum Dialog, auf den die Organisation eingehen wolle. Kurz darauf zeigte sich der kosovarische Kulturminister von der Platzierung von Visoki Dečani auf der definitiven Liste der sieben am stärksten gefährdeten Kulturerbestätten in Europa „tief besorgt“ und schloss sich der Argumentation der Staatsführung an. Die Sprache der Nominierung sei „ungenau, voreingenommen und inakzeptabel“. Massive Kritik kam auch aus kosovarischen Medien, die ebenfalls eine Instrumentalisierung von Europa Nostra durch den serbischen Staat und die SOK befürchten. Zudem war die Behauptung zu lesen, die Angriffe auf das Kloster seien inszeniert gewesen.
Das Patriarchat der SOK reagierte in einem offiziellen Statement mit „Empörung“ auf die Medienberichte über die „äußerst unbegründeten und böswilligen Anschuldigungen“ gegen Sava Janjić, den Abt von Visoki Dečani. Die kosovarische NGO Rat für den Schutz von Menschenrechten und Freiheiten forderte eine Untersuchung wegen Kriegsverbrechen gegen Janjić. Die SOK betrachtet dies als Angriff auf das Kloster und als Bedrohung für den Fortbestand der dortigen Bruderschaft, aber auch der Mönchsgemeinschaften der übrigen serbischen Klöster sowie der verbliebenen serbischen Bevölkerung in Kosovo. Mit Stolz betonte die SOK, dass das Kloster sowie sein Abt und die Bruderschaft vor allem während des Kosovokriegs Ende der 1990er Jahre ein Zufluchtsort für zahlreiche Opfer ohne Rücksicht auf ihre Nationalität und ihren Glauben gewesen sei. Janjić ist tatsächlich für sein Engagement für Frieden und als entschlossener Kritiker der damaligen serbischen Politik bekannt.
Bischof Teodosije (Šibalić) von Raška-Prizren, in dessen Bistum Visoki Dečani liegt, verwies in einer Mitteilung ebenfalls auf dessen Bedrohung durch gewalttätige Übergriffe. Zudem beklagte er den „institutionellen Druck, Drohungen, mediale Angriffe und die offene Missachtung kosovarischer Gesetze“, mit denen Visoki Dečani und die ganze Eparchie in den letzten Jahren konfrontiert seien. Dabei konstatierte er einen „gefährlichen Anstieg der Intoleranz gegenüber der serbischen Bevölkerung“ in Kosovo. Daher rief er zu einem „intensiveren internationalen Schutz unserer Heiligtümer und Rechte“ auf, da die internationale zivile und militärische Präsenz momentan „die einzige Garantie für unser Überleben“ seien. (NÖK)