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OWEP 1/2020: Klöster in Mittel- und Osteuropa

Von Klöstern und Ordensgemeinschaften haben viele Menschen eine eher vage Vorstellung. Oft wird darunter Abgeschiedenheit von der Welt, verbunden mit einer besonderen Form des religiösen Lebens, verstanden. Wie bei allen Klischees ist dies nicht falsch, aber unvollständig, denn die heutigen Formen klösterlichen Lebens umfassen wesentlich mehr Facetten – viele Ordensleute sind in der Welt aktiv und prägen das Erscheinungsbild der Kirche mit. Zugleich stehen sie für unterschiedliche religiöse Traditionen, die sich im Laufe der Jahrhunderte im westlich-lateinisch geprägten und östlich-griechisch geformten Europa herausgebildet haben. Sie haben die jeweiligen Gesellschaften geprägt und sind umgekehrt von ihnen geformt worden. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie im 21. Jahrhundert mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind, die das Selbstverständnis des klösterlichen Lebens auf den Prüfstand stellen.

Angesichts dieses Befundes wird deutlich, dass das Themenfeld „monastische Gemeinschaften in Mittel- und Osteuropa“ weitgespannt ist und im vorliegenden Heft nur in wenigen Strichen behandelt werden kann. Eröffnet wird die Darstellung daher mit einer allgemeinen Einführung in Grundvollzüge und Geschichte des Ordenslebens durch Abt Dr. Marianus Bieber OSB (Kloster Niederaltaich). Er skizziert die unterschiedliche Entwicklung im katholischen und orthodoxen Raum und weist auch auf neue Formen klösterlichen Lebens in der Gegenwart hin.

Die folgenden Beiträge beschreiben eine kleine Reise zu neuen Klöstern, die in Russland beginnt und auch dort wieder endet. Eine Skizze zu Beginn verzeichnet die Lage der Klöster, in allen Texten sind auch Abbildungen enthalten.

Eröffnet wird die Abfolge mit der Vorstellung der Klosteranlage von Sergijew Possad nordöstlich von Moskau, deren kulturgeschichtliche Bedeutung für Russland der US-amerikanische Religionswissenschaftler Prof. Dr. Scott M. Kenworthy schildert. Sergijew Possad geht auf das Wirken des heiligen Sergius von Radonesch im 14. Jahrhundert zurück und spielte beim Aufstieg des Moskauer Großfürstentums zum Zentrum Russlands in den folgenden Jahrhunderten eine wichtige Rolle. Auf den Höhepunkt der Entwicklung im 19. Jahrhundert folgte der Zusammenbruch und die Schließung im Gefolge der Oktoberrevolution 1920, doch wurde das Kloster schon 1946 wiedereröffnet und nimmt heute den ersten Rang unter den Wallfahrtsorten der Russischen Orthodoxen Kirche ein. Ein ähnliches Schicksal erfuhr im 20. Jahrhundert die weitläufige Anlage des Höhlenklosters in Kiew, dessen Entstehung und Geschichte Bischof Silvester (Stojtschew), Rektor der Kiewer Geistlichen Akademie, die im Komplex des Höhlenklosters ihren Sitz hat, beschreibt. Die Ursprünge des Höhlenklosters gehen bis in die Zeit der Taufe der Kiewer Rus im 10. Jahrhundert zurück, die ersten Mönche standen in der Tradition des heiligen Berges Athos. Nach langen Phasen des Niedergangs erlebte das Kloster eine neue Blüte im 17. und frühen 18. Jahrhundert und ist nach Zweckentfremdung und Teilzerstörung im 20. Jahrhundert heute wieder ein wichtiger Wallfahrtsort für orthodoxe Gläubige.

In Westeuropa kaum bekannt, jedoch gerade auch unter historischen und kunstgeschichtlichen Aspekten bedeutend ist eine ganze Reihe von orthodoxen Klöstern im Norden Rumäniens, die unter der Bezeichnung „Moldauklöster“ zusammengefasst werden – sie liegen größtenteils in der historischen Landschaft Moldau, einige auch auf dem Gebiet der heutigen Republik Moldau. Acht davon, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, beschreibt Pfarrer Dr. Ionel Popescu, Bischofsvikar der orthodoxen Erzdiözese Timişoara, wobei er auch deren Rolle für die Entfaltung der rumänischen Kultur und Literatur heraushebt. Die teilweise gut erhaltenen Freskomalereien mit biblischen Motiven ziehen Besucher aus aller Welt an. Bekannter ist wahrscheinlich das bulgarische Nationalheiligtum im Rila-Gebirge: das nach Ivan von Rila benannte, bereits im 10. Jahrhundert gegründete Rila-Kloster. Das Kloster spielte nicht nur als geistliches Zentrum für den jungen bulgarischen Staat im Mittelalter eine große Rolle, sondern blieb auch in den Jahrhunderten der osmanischen Herrschaft ein Mittelpunkt bulgarischer Sprache, Literatur und Kunst, wie aus den Ausführungen von Prof. Dr. Bojidar Andonov, der in Sofia und München Religionspädagogik und Pastoraltheologie lehrt, hervorgeht. Das Kloster beherbergt bis heute nicht nur ein reich ausgestattetes Museum, sondern bewahrt als geistliche Bildungsstätte auch das Erbe Ivans von Rila.

Zwei weitere Klöster in Südosteuropa, die in der Geschichte ihrer Länder eine herausragende Rolle gespielt haben, runden die Reihe orthodoxer Traditionsorte ab. Der Osteuropahistoriker Dr. Ekkehard Kraft skizziert die Entwicklung von Kloster Cetinje in Montenegro, das jahrhundertelang nicht nur der geistliche, sondern auch der politische Mittelpunkt des kleinen Landes war. Kloster Žiča in Serbien, vorgestellt von dem an der Universität Belgrad lehrenden Theologen Prof. Dr. Rade Kisić, bildete die „Mutterkirche“ der serbischen Orthodoxie. Die ursprüngliche Anlage aus dem frühen 13. Jahrhundert fungierte als Krönungskirche der serbischen Herrscher und war dementsprechend reich ausgestattet, wurde aber mehrfach zerstört und ist erst im 20. Jahrhundert in alter Pracht wiederentstanden.

Mit Pannonhalma (Ungarn) und Tschenstochau (Polen) widmet sich das Heft zwei bedeutenden Klöstern der westlich-lateinischen Tradition. Die dem heiligen Martin geweihte Benediktinerabtei Pannonhalma in Westungarn wurde bereits Ende des 10. Jahrhunderts gegründet und von den ungarischen Königen reich ausgestattet. Altabt Asztrik Várszegi OSB nimmt die Leserinnen und Leser mit auf eine Zeitreise durch die Jahrhunderte, in denen Pannonhalma immer wieder auch Zufluchtsort für religiös und politisch Verfolgte war, zuletzt bei der Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Tschenstochau ist seit dem 14. Jahrhundert als Wallfahrtsort mit dem Gnadenbild der „Schwarzen Madonna“ bekannt und seither, wie die Philologin und Germanistin Joanna Szymańska-Bica darlegt, das Nationalheiligtum Polens über alle Zeitläufte hinweg, was allerdings auch eine Instrumentalisierung für politische Zwecke nicht ausschließt.

Der letzte Beitrag führt wieder nach Russland, genauer gesagt nach Moskau. Unweit des Kremls befindet sich mitten in der Stadt der Gebäudekomplex des Johannes-der-Täufer-Klosters. Dieses orthodoxe Frauenkloster blickt auf eine mehr als 600-jährige Geschichte zurück, erlebte Zerstörungen und Wiederaufbau und wurde nach der Oktoberrevolution in den 1920er Jahren „umfunktioniert“. Schwester Tawifa (Isajewa) schildert in ihrem Beitrag die Schicksale vieler Schwestern und Geistlicher, die während der kommunistischen Herrschaft Verfolgung oder sogar den Tod erlitten. Ende der 1980er Jahre setzte ein langsamer Neubeginn mit der Bildung einer Schwesterngemeinschaft ein, die mittlerweile große Teile der alten Anlage wieder nutzen darf und neuen Aufgaben zuführen kann. Das Kloster knüpft damit an die große Vergangenheit an, ist aber doch auch eine Neugründung, die sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen möchte.

Ein Ausblick auf Heft 2/2020, das Mitte Mai erscheinen wird: Unter dem Titel „Friede – Unfriede – Krieg“ will das Heft einer grundlegenden Problematik des Miteinanders von Staaten und Menschen nachgehen. Neben einer theologisch-philosophischen Einführung geht es auch um konkrete Fragen rund um den Themenkomplex Frieden bzw. Nicht-Frieden in Gesellschaften, u. a. in Bosnien und Herzegowina, Polen und Ungarn.

Das ausführliche Inhaltsverzeichnis und ein Beitrag im Volltext finden sich unter www.owep.de. Das Heft kann für € 6,50 (zzgl. Versandkosten) unter www.owep.de bestellt werden.