Ioan Moga zu Papstbesuch und Ökumene in Rumänien
22. Mai 2019
Vom 31. Mai bis 2. Juni besucht Papst Franziskus Rumänien, dessen Bevölkerung mehrheitlich orthodox ist. Wie ist die ökumenische Situation im Land?
Rumänien blickt auf eine sehr lange Geschichte eines friedlichen interkonfessionellen Zusammenlebens zurück. Die Rumänische Orthodoxe Kirche, zu der etwa 87 Prozent der Bevölkerung gehören, hat sich schon in den 1920er Jahren dem ökumenischen Dialog geöffnet. Natürlich gab es in diesem ökumenischen Prozess unterschiedliche Phasen, die auch vor dem geschichtlichen Hintergrund zu sehen sind. Die heutige Situation ist von stabilen ökumenischen Beziehungen gekennzeichnet. Ausdruck dessen ist auch, dass der Papst vom ganzen Hl. Synod der Rumänischen Orthodoxen Kirche empfangen werden wird.
Zugleich erfährt der Begriff Ökumene (rumänisch: Ökumenismus) seit etwa einem Jahrzehnt eine negative Konnotation, vor allem in gewissen kirchlichen Kreisen. Hier zeigt sich ein panorthodoxer Trend, der irgendwann auch Rumänien erreicht hat: Ökumenismus wird mit Skepsis wahrgenommen, weil er mit der Gefahr der Entfremdung, dem Verlust der eigenen Identität verbunden wird. Von einer genuin anti-ökumenischen Ausrichtung kann man jedoch nur mit Blick auf einige kleine Gruppierungen sprechen, die insbesondere nach dem Konzil auf Kreta (2016) lautstark wurden. Die Mehrheit der orthodoxen Gläubigen und der rumänischen Gesellschaft ist jedoch ökumenisch aufgeschlossen.
Ein weiteres wichtiges Spezifikum der heutigen rumänischen Gesellschaft ist, dass sie trotz ihrer starken Modernisierung nach der Wende sehr religiös ist. Diese starke Religiosität wird auch in soziologischen Umfragen immer wieder festgestellt. Ich erwarte also einen warmherzigen Empfang des Papstes durch die Menschen in Rumänien, unabhängig von ihrer konfessionellen Zugehörigkeit. Es wird natürlich auch am Papst selbst liegen, ob er die Herzen der Menschen gewinnen kann – wie etwa Papst Johannes Paul II. vor 20 Jahren.
Wie wirken sich die aktuellen innerorthodoxen Spannungen – insbesondere in Bezug auf die Ukraine-Frage – auf den orthodox-katholischen Dialog aus?
Der Hl. Synod der Rumänischen Orthodoxen Kirche hat bisher eine neutrale Position hinsichtlich des kirchlichen Konflikts in der Ukraine eingenommen. Daran wird sich vermutlich in der nahen Zukunft nichts ändern. Man ist bemüht, sowohl mit dem Ökumenischen Patriarchat als auch mit dem Moskauer Patriarchat sehr gute Beziehungen aufrechtzuerhalten.
Es ist aber eine bekannte Tatsache, dass durch den Rückzug der Russischen Orthodoxen Kirche, u. a. aus den ökumenischen Dialogkommissionen, auch der orthodox-katholische Dialog auf offizieller Ebene leidet. Doch wer mit der Sache der Ökumene einigermaßen vertraut ist, weiß, dass es dafür viel Geduld braucht. Auch diese aktuelle Krise wird irgendwann überwunden sein und der Weg des Dialogs wird dann verstärkt weitergehen. Ich neige nicht zu einer apokalyptischen Interpretation des aktuellen innerorthodoxen Konflikts. Vielmehr meine ich, dass wir das Schlimmste schon hinter uns haben. Die pastorale Realität wird die Fehler der Kirchenpolitik überwinden und sogar heilen, vorausgesetzt die Politik mischt sich nicht (mehr) ein. Die sozialen Nöte der Menschen in der Ukraine – und in ganz Osteuropa – sind eine viel ernstere Herausforderung (für die Kirche inklusive), als jurisdiktionelle Konflikte. Da muss die Kirche anpacken.
Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten zwischen der katholischen und den orthodoxen Kirchen? Bei welchen gemeinsamen Themen könnte sich der Dialog künftig positiv entwickeln?
Grundsätzlich: die Gemeinsamkeiten zwischen Geschwistern (hier: Schwesterkirchen) sind eine gegebene Tatsache, sie müssen nicht begründet oder erklärt werden. Die Frage ist nur, ob die zwei Kirchen ihre vorhandenen Gemeinsamkeiten ausleben oder nicht. Das hängt vor allem von der gegenseitigen Erfahrungs- und Austauschbereitschaft ab. Ohne Begegnung, ohne Kommunikation, ohne gegenseitiges Zuhören geraten auch Geschwister leicht auseinander. Deshalb ist der Besuch des Papstes in Rumänien ein gutes Zeichen dafür, dass es keine Alternative zum Dialog gibt. Nicht die Auswahl gewisser Themen ist hier entscheidend (deshalb halte ich von einer Gegenüberstellung von Theologie und Praxis, von praktischer und theologischer Ökumene nichts), sondern der gute Wille der Kirchenverantwortlichen. Ehrlichkeit ist dabei ein Schlüsselbegriff: beide Kirchen haben mit vielen, oft unterschiedlichen internen Herausforderungen zu kämpfen. In Rumänien etwa ist die Migration ein großes Thema, das auch das Leben der Kirche stark verändert. Wir müssen also auf allen Ebenen versuchen einzusehen, dass wir durch ekklesialen, respektvollen Austausch mit dem Anderen auch die eigene Situation verbessern.
Ioan Moga, Dr., Assistenzprofessor und Inhaber der Tenure-Track-Stelle „Orthodoxe Theologie“ an der Universität Wien, Priester der Rumänischen Orthodoxen Kirche.
Rumänien blickt auf eine sehr lange Geschichte eines friedlichen interkonfessionellen Zusammenlebens zurück. Die Rumänische Orthodoxe Kirche, zu der etwa 87 Prozent der Bevölkerung gehören, hat sich schon in den 1920er Jahren dem ökumenischen Dialog geöffnet. Natürlich gab es in diesem ökumenischen Prozess unterschiedliche Phasen, die auch vor dem geschichtlichen Hintergrund zu sehen sind. Die heutige Situation ist von stabilen ökumenischen Beziehungen gekennzeichnet. Ausdruck dessen ist auch, dass der Papst vom ganzen Hl. Synod der Rumänischen Orthodoxen Kirche empfangen werden wird.
Zugleich erfährt der Begriff Ökumene (rumänisch: Ökumenismus) seit etwa einem Jahrzehnt eine negative Konnotation, vor allem in gewissen kirchlichen Kreisen. Hier zeigt sich ein panorthodoxer Trend, der irgendwann auch Rumänien erreicht hat: Ökumenismus wird mit Skepsis wahrgenommen, weil er mit der Gefahr der Entfremdung, dem Verlust der eigenen Identität verbunden wird. Von einer genuin anti-ökumenischen Ausrichtung kann man jedoch nur mit Blick auf einige kleine Gruppierungen sprechen, die insbesondere nach dem Konzil auf Kreta (2016) lautstark wurden. Die Mehrheit der orthodoxen Gläubigen und der rumänischen Gesellschaft ist jedoch ökumenisch aufgeschlossen.
Ein weiteres wichtiges Spezifikum der heutigen rumänischen Gesellschaft ist, dass sie trotz ihrer starken Modernisierung nach der Wende sehr religiös ist. Diese starke Religiosität wird auch in soziologischen Umfragen immer wieder festgestellt. Ich erwarte also einen warmherzigen Empfang des Papstes durch die Menschen in Rumänien, unabhängig von ihrer konfessionellen Zugehörigkeit. Es wird natürlich auch am Papst selbst liegen, ob er die Herzen der Menschen gewinnen kann – wie etwa Papst Johannes Paul II. vor 20 Jahren.
Wie wirken sich die aktuellen innerorthodoxen Spannungen – insbesondere in Bezug auf die Ukraine-Frage – auf den orthodox-katholischen Dialog aus?
Der Hl. Synod der Rumänischen Orthodoxen Kirche hat bisher eine neutrale Position hinsichtlich des kirchlichen Konflikts in der Ukraine eingenommen. Daran wird sich vermutlich in der nahen Zukunft nichts ändern. Man ist bemüht, sowohl mit dem Ökumenischen Patriarchat als auch mit dem Moskauer Patriarchat sehr gute Beziehungen aufrechtzuerhalten.
Es ist aber eine bekannte Tatsache, dass durch den Rückzug der Russischen Orthodoxen Kirche, u. a. aus den ökumenischen Dialogkommissionen, auch der orthodox-katholische Dialog auf offizieller Ebene leidet. Doch wer mit der Sache der Ökumene einigermaßen vertraut ist, weiß, dass es dafür viel Geduld braucht. Auch diese aktuelle Krise wird irgendwann überwunden sein und der Weg des Dialogs wird dann verstärkt weitergehen. Ich neige nicht zu einer apokalyptischen Interpretation des aktuellen innerorthodoxen Konflikts. Vielmehr meine ich, dass wir das Schlimmste schon hinter uns haben. Die pastorale Realität wird die Fehler der Kirchenpolitik überwinden und sogar heilen, vorausgesetzt die Politik mischt sich nicht (mehr) ein. Die sozialen Nöte der Menschen in der Ukraine – und in ganz Osteuropa – sind eine viel ernstere Herausforderung (für die Kirche inklusive), als jurisdiktionelle Konflikte. Da muss die Kirche anpacken.
Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten zwischen der katholischen und den orthodoxen Kirchen? Bei welchen gemeinsamen Themen könnte sich der Dialog künftig positiv entwickeln?
Grundsätzlich: die Gemeinsamkeiten zwischen Geschwistern (hier: Schwesterkirchen) sind eine gegebene Tatsache, sie müssen nicht begründet oder erklärt werden. Die Frage ist nur, ob die zwei Kirchen ihre vorhandenen Gemeinsamkeiten ausleben oder nicht. Das hängt vor allem von der gegenseitigen Erfahrungs- und Austauschbereitschaft ab. Ohne Begegnung, ohne Kommunikation, ohne gegenseitiges Zuhören geraten auch Geschwister leicht auseinander. Deshalb ist der Besuch des Papstes in Rumänien ein gutes Zeichen dafür, dass es keine Alternative zum Dialog gibt. Nicht die Auswahl gewisser Themen ist hier entscheidend (deshalb halte ich von einer Gegenüberstellung von Theologie und Praxis, von praktischer und theologischer Ökumene nichts), sondern der gute Wille der Kirchenverantwortlichen. Ehrlichkeit ist dabei ein Schlüsselbegriff: beide Kirchen haben mit vielen, oft unterschiedlichen internen Herausforderungen zu kämpfen. In Rumänien etwa ist die Migration ein großes Thema, das auch das Leben der Kirche stark verändert. Wir müssen also auf allen Ebenen versuchen einzusehen, dass wir durch ekklesialen, respektvollen Austausch mit dem Anderen auch die eigene Situation verbessern.
Ioan Moga, Dr., Assistenzprofessor und Inhaber der Tenure-Track-Stelle „Orthodoxe Theologie“ an der Universität Wien, Priester der Rumänischen Orthodoxen Kirche.