Neue Bewegung im makedonischen Kirchenstreit?
07. Dezember 2017
Am 14. November 2017 erreichte den Hl. Synod der Bulgarischen Orthodoxen Kirche (BOK) ein Brief des Hl. Synods der Makedonischen Orthodoxen Kirche (MOK) mit der Bitte, dass die BOK sich bei den anderen orthodoxen Kirchen für das Anliegen der MOK nach einem autokephalen Status einsetzen solle. Im Gegenzug sei die MOK bereit, die BOK als ihre „Mutterkirche“ anzuerkennen.
Als dieses Anliegen publik wurde, löste es ein für kirchliche Themen ungewöhnlich großes Medienecho in Bulgarien aus. Das historische Schicksal Makedoniens stellt traditionell ein sehr emotional beladenes Thema für viele Bulgaren dar. Das machte eine Entscheidung des bulgarischen Hl. Synods sehr kompliziert, denn ein Großteil der Öffentlichkeit forderte eine einseitige Anerkennung der Autokephalie der MOK. Solch ein Schritt wäre aber ein Affront gegenüber den anderen orthodoxen Kirchen gewesen, vor allem gegenüber der Serbischen Orthodoxen Kirche.
Vor diesem Hintergrund beantwortete der Hl. Synod der BOK am 27. November die Bitte der kanonisch nicht anerkannten MOK mit folgendem Beschluss: Aufgrund der erklärten Bereitschaft der MOK, die BOK als “Mutterkirche” anzuerkennen, ist die BOK bereit, sich für das Anliegen der MOK zu engagieren und gegenüber den anderen orthodoxen Kirchen für eine kanonisch konforme Regelung für deren Status einzusetzen. Es wurde ein Komitee aus sieben Metropoliten gebildet mit der Aufgabe, die Verhandlungen mit den anderen orthodoxen Kirchen zu führen.
Als eventuell problematisch wird die Reaktion des Belgrader, des Moskauer und des Ökumenischen Patriarchats eingeschätzt. Kanonisch betrachtet steht die MOK unter der Jurisdiktion der Serbischen Orthodoxen Kirche. Moskau könnte befürchten, dass hier ein Präzedenzfall geschaffen würde, der einen Schub für die Autokephaliebestrebungen in der Ukraine darstellen könnte. Für Konstantinopel könnte die Anerkennung der MOK aus zwei Gründen problematisch werden: Erstens will man eine eigenständige makedonische Nation nicht anerkennen und zweitens will man die Serbische Orthodoxe Kirche nicht brüskieren, zumal diese beim Konzil von Kreta anwesend war und dadurch Patriarch Bartholomaios gestützt hatte.
Von der bulgarischen Öffentlichkeit wurde die diplomatische Antwort des Hl. Synods der BOK weitgehend positiv aufgenommen. Einerseits bekannte sich die BOK zum Anliegen der MOK. Andererseits demonstrierte sie ihren Willen, einen Konsens innerhalb der orthodoxen Kirchen zu finden. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die diesen Beschluss als ungenau und unklar bewerten. Durch die Initiative der BOK, eine gesamtorthodoxe Lösung zu suchen, flamme erneut die Debatte um die Nichtteilnahme der BOK am Panorthodoxen Konzil von Kreta auf. Die damalige Entscheidung des Hl. Synods wurde sehr kontrovers diskutiert, und viele Laien und Priester äußerten ihren Unmut darüber. Nun halten diese Opponenten dem Hl. Synod entgegen, dass er aufgrund seines Boykotts des Konzils von Kreta schlechte Chancen für Verhandlungen mit den anderen Kirchen habe.
Vladislav Atanassov, Studium der Theologie in Sofia und Heidelberg, wohnt in Nürtingen, Deutschland. Zurzeit arbeitet er an der Herausgabe eines Buches über die Geschichte der Bulgarischen Orthodoxen Kirche.