Zum Hauptinhalt springen

Umstritten und skandalös. Der Besuch von Patriarch Porfirije in Moskau

22. Mai 2025

Vukašin Milićević

Der serbische Patriarch Porfirije hat dieses Jahr die Osterwoche in Moskau verbracht. Auf den ersten Blick war es ein normaler Antrittsbesuch des Oberhaupts einer orthodoxen Kirche bei seinem Kollegen, dem Oberhaupt einer „Schwesterkirche“. Aber nur auf den ersten Blick. Denn der Sinn solcher Besuche ist, die Einheit der gesamten Orthodoxen Kirche zu bezeugen. Porfirijes Besuch in Moskau hat jedoch das Gegenteil bezeugt: dass heute immer weniger von der Existenz einer einheitlichen und einzigen Orthodoxen Kirche gesprochen werden kann, und dass einer der Hauptgründe für diese Situation – wenn auch nicht der einzige – ist, dass sich die zahlenmäßig größte orthodoxe Kirche völlig in den Dienst des Neoimperialismus des Kremls gestellt hat.

Denn zumindest in der Theorie müssten „Antrittsbesuche“ der Reihenfolge der orthodoxen Kirchen gemäß den Diptychen folgen. Die ersten Plätze nehmen darin die Patriarchate der antiken Pentarchie (Konstantinopel als Neues Rom, Alexandria, Antiochien, Jerusalem) ein, mit Ausnahme von Rom, solange keine Einheit hergestellt ist. Danach folgen in den Diptychen die „neueren“ autokephalen Kirchen, zuerst die Moskauer oder Russische Kirche, dann die Serbische und so weiter. Die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) stellt als einzige der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) die Georgische Orthodoxe Kirche voran, eine Tatsache, der interessanterweise absolut niemand in Serbien Bedeutung beimisst. Dessen ungeachtet absolvierte Patriarch Porfirije seit seiner Wahl 2021 nur drei offizielle Besuche, zwei davon in Russland. Neben Russland hat er erst unlängst auch das Jerusalemer Patriarchat besucht, die einzige griechisch-sprachige Kirche, mit der das Moskauer Patriarchat weiterhin in eucharistischer Gemeinschaft steht.

Aus all dem wird klar, dass sich die SOK unter der Leitung von Patriarch Porfirije in den innerorthodoxen Spaltungen offen auf die Seite Moskaus gestellt hat. Eine solche Position lässt sich nicht mit irgendeiner Prinzipientreue rechtfertigen: Selbst wenn die Position der SOK in Bezug auf die ukrainische Kirchenkrise vielleicht als prinzipiell beschrieben werden kann (was dennoch nicht für die Position zu Russlands Angriff auf die Ukraine gilt), wie lässt sich das Fehlen jeglicher Kritik erklären, wenn es um ein direktes und aggressives Eindringen der ROK in die Jurisdiktion anderer orthodoxer Lokalkirchen (Patriarchat von Alexandrien) sowie um das Entreißen von Eparchien und Quälen von Geistlichen derselben Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) geht, von der Moskau und Belgrad behaupten, dass sie sie als einzige in der Ukraine anerkennen? Berauben und Quälen gehen nicht nur von den ukrainischen Behörden aus, sondern auch von der ROK in den von Moskau besetzten Territorien.

Aber das sind nicht die einzigen Gründe, aus denen Prorfirijes Besuch in Moskau umstritten ist. Daneben gibt es weitere, weshalb seine Reise nach Russland nicht nur umstritten, sondern auch skandalös ist. Diese betreffen die Positionierung, die der Patriarch beim Treffen mit dem russischen Präsidenten Vladimir Putin hinsichtlich der aktuellen politischen Situation in Serbien vorgebracht hat. Dabei geht es nicht nur um die Positionierung, sondern um die gesamte Haltung des Patriarchen gegenüber Putin. Obwohl am Tisch eine professionelle Dolmetscherin saß, sprach der Patriarch die ganze Zeit in angestrengtem Russisch und bemühte sich, alle relevanten „Tatsachen“ in Bezug auf die neokonservative und antiwestliche Agenda zu erwähnen, der Moskau sich bedient – wie früher der revolutionären Agenda –, um seinen Imperialismus mit Sorge um die sog. traditionellen Werte zu rechtfertigen. In diesem Sinn erwähnte Porfirije auch, dass er sich wünsche, dass Serbien in einer neuen geopolitischen Ordnung Teil der „Russischen Welt“ sein werde, und dass in Serbien eine „Farbrevolution“ stattfinde, mit der „wir, so hoffen wir, zurechtkommen werden“. All das kam über die offizielle Website des Moskauer Patriarchats an die Öffentlichkeit, während auf der Website der SOK in der Mitteilung über das Treffen kein Wort über die politische Agenda des Patriarchen steht. Zu Recht wird er daher beschuldigt, dass er nicht als Kirchenoberhaupt nach Moskau gefahren sei, sondern als gewöhnlicher Gesandter des aktuellen serbischen Regimes, das immer offener in die Autokratie rutscht oder eher strebt.

Das alles reichte völlig aus, um alle – überheblichen wie ungeschickten – Versuche des Patriarchen, sich als über der Situation stehender Oberhirte aller Gläubigen der SOK darzustellen und daher keine Partei zu ergreifen, scheitern zu lassen. Mit seinem Besuch in Moskau hat Patriarch Porfirije unzweideutig gezeigt, dass er völlig offen ein Angehöriger des nationalistischen und korrupten Kartells ist, das den Staat Serbien vollständig gekapert hat. Und nicht nur er.

Denn der Patriarchenbesuch in Moskau hat noch einmal, dieses Mal völlig offensichtlich bestätigt, was alle Kenner der Situation in der SOK schon lange wissen: Patriarch Porfirije untersteht der völligen Kontrolle seines geistlichen Vaters, des Metropoliten Irinej (Bulović) von Bačka. Eines Menschen, der sich nicht scheut, seine skandalösen konservativen und chauvinistischen Positionen bei jeder Gelegenheit zu demonstrieren und das auf sehr aggressive Art, die oft an Methoden erinnert, derer sich die mittelalterliche Kirche bediente. Es geht um einen Menschen, der alle Entscheidungshebel in der SOK vollständig kontrolliert, einen Menschen, der unter anderem ein Erzeuger der Krise ist, die die Orthodoxe Theologische Fakultät in akademischem und wissenschaftlichem Sinn an den Rand der Existenz gebracht hat (bis zu dem Grad, dass sie unter seinem Druck wahrscheinlich aus der Universität Belgrad austreten wird). Das alles tut er, indem er entgegen den Regeln und Bräuchen, an die sich die serbischen Bischöfe früher strikt hielten, schon mehr als zehn Jahre souverän den Hl. Synod regiert. Er war bei Porfirijes Besuch in Moskau die ganze Zeit an dessen Seite und korrigierte ihn „großmütig“, wann immer sich Porfirije zu einem der wichtigen Punkte der Tagesordnung nicht präzise genug ausdrückte. So korrigierte Irinej beim Gespräch mit Putin den Patriarchen in Bezug auf zwei Schlüsselbegriffe: Als Porfirije erwähnte, dass in Serbien eine „Revolution“ stattfinde, erinnerte Irinej ihn daran, dass es sich um eine „Farbrevolution“ handle, und als der Patriarch sagte, dass er sich wünsche, dass sich Serbien im „russischen Umkreis“ finde, korrigierte ihn Irinej, indem er sagte, es gehe um die „Russische Welt“.

Vor einigen Tagen ging die Sitzung der Bischofsvollversammlung der SOK zu Ende. Obwohl angekündigt war, dass die Bischöfe, die den Kurs von Porfirije und Irinej nicht unterstützen, versuchen würden, sich dem entgegenzustellen, ist allem Anschein nach alles beim Alten geblieben. Metropolit Irinej ist wieder Mitglied des Hl. Synods. Vermutlich ist die Ursache dafür, dass ganz am Anfang der Sitzung einer der angesehensten Bischöfe der „kirchlichen Opposition“, Metropolit Grigorije (Durić) von Düsseldorf und Deutschland, wegen unerwarteter gesundheitlicher Probleme ins Krankenhaus musste. Doch der Ausgang der Bischofsvollversammlung kann auch als Zeichen der Unsicherheit der anderen Seite verstanden werden, die keine frontale Auseinandersetzung wagte, gerade so, wie es auch das autokratische Regime von Präsident Aleksandar Vučić tut. Im Gegenteil ist bekannt, dass die serbische „Kirchenspitze“ in den kommenden Tagen versuchen wird, mit ihren Gegnern abzurechnen, indem sie gegen jeden einzeln vorgeht. Es liegt an der „kirchlichen Opposition“, ihr das nicht zu erlauben, und die allgemeinen Entwicklungen in der serbischen Gesellschaft kommen ihnen entgegen. Vom Ausgang des Studierenden- und Bürgeraufstands, der von demokratischen Grundsätzen und Zielen geleitet wird, hängt nicht nur das Schicksal des Staats Serbien, sondern auch dasjenige der SOK ab.

Vukašin Milićević, Dr., Theologe und Priester der SOK, ehemaliger Dozent an der Orthodoxen Theologischen Fakultät in Belgrad

Übersetzung aus dem Serbischen: Natalija Zenger.

Bild: Patriarch Porfirije und Metropolit Irinej (Bulović) werden vom russischen Präsidenten Vladimir Putin empfangen. (Foto: kremlin.ru)