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Russland: Patriarch Kirill schweigt zur Kriegsgefahr und spricht von „Zeiten des Friedens“

24. Februar 2022

Die Kirchenleitung der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) schweigt zur Kriegsgefahr zwischen Russland und der Ukraine. Zwei Tage nach der Anerkennung der „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk durch Präsident Putin sprach Patriarch Kirill anlässlich des „Tags der Vaterlandsverteidigung“ am 23. Februar vor Soldaten und Offizieren stattdessen von „Zeiten des Friedens“. Dabei machte sich der Patriarch das Narrativ des Kremls, von Russland als dem bedrohten Land zu eigen: „Leider gibt es auch gerade jetzt Bedrohungen – jeder weiß, was an den Grenzen unseres Heimatlandes geschieht. […] Die Macht der Streitkräfte, die Macht der russischen Armee ist … eine Waffe, die unser Volk verteidigt. Aber damit diese Waffe von denjenigen, die böse Absichten haben, ernst genommen wird, müssen unsere Streitkräfte immer in Kriegsbereitschaft sein.“

In seiner Rede zur Anerkennung der Separatistengebiete hatte Putin auch das Vorgehen der ukrainischen Regierung gegen die Ukrainische Orthodoxe Kirche, die zum Moskauer Patriachat gehört, als Grund für seine Entscheidung angeführt: „Kiew treibt weiterhin seine Abrechnung mit der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats voran. […] Die ukrainische Regierung hat die Tragödie der Kirchenspaltung auf zynische Weise zu einem Instrument der Staatspolitik gemacht. Die derzeitige Führung des Landes reagiert nicht auf die Bitten der Bürger der Ukraine, die Gesetze aufzuheben, die die Rechte der Gläubigen verletzen. Außerdem wurden in der Rada neue Gesetzesentwürfe gegen den Klerus und Millionen von Gemeindemitgliedern der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats registriert.“

Noch vor der jüngsten Eskalation des Konflikts hatte Metropolit Ilarion (Alfejev), der Leiter des Außenamts der ROK, in der wöchentlichen Interview-Sendung „Kirche und Welt“ am 19. Februar gesagt: „Das Wichtigste ist, dass der Frieden erhalten bleibt, vor allem der Frieden zwischen Russland und der Ukraine.“ Die Ukraine sei ein Staat, in dem das eigene Kirchenvolk lebe: „In dieser Hinsicht ist diese Situation für die ROK natürlich besonders schmerzhaft, weil sich unsere Leute auf beiden Seiten befinden. […] Wir wissen, dass ein Teil des Donbass‘ zu den nicht anerkannten Volksrepubliken gehört, der andere zählt zur Ukraine. Zwischen ihnen gibt es eine Trennlinie, und unser Kirchenvolk lebt auf beiden Seiten. Unsere Erzpriester haben Eparchien, deren Gemeinden auf dieser und jener Seite dieser Linie liegen.“ Das Problem betreffe nicht nur Gemeinden, sondern auch Familien, und je schneller es gelöst werde, desto besser: „Wir beten dafür, dass sich diese Probleme nicht auf militärische, sondern auf friedliche Weise lösen lassen. Ich hoffe sehr darauf, dass es auf beiden Seiten des Konflikts zu genügend Weisheit und Mut gereicht, um diesen Verhandlungsprozess anzugehen und die angehäuften Probleme auf dem Verhandlungsweg zu lösen.“

Eparchien der ROK organisieren mittlerweile humanitäre Hilfe für Flüchtlinge aus dem Donbass: Die Eparchie Rostov und die Eparchie Kursk riefen Bischöfe, Sozialarbeiter, Barmherzigkeitsschwestern und Freiwillige zur Bereitstellung geistlicher und materieller Hilfe auf. Auch die Eparchie Voronezh und die Eparchie Izhevsk haben alle Gemeinden zu Geldsammlungen für die Flüchtlinge aus dem Donbass aufgerufen. Hilfe bei der Unterbringung von Flüchtlingen und ihrer pastoralen Betreuung bieten auch die Eparchie Salavatsk und die Eparchie Nizhnij Novgorod.

Regula Zwahlen

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