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Russland: Sova-Zentrum wird per Gerichtsbeschluss liquidiert

07. September 2023

Das Sova-Zentrum für Information und Analyse, Russlands führende Menschenrechtsorganisation zur Überwachung der Religions- und Glaubensfreiheit sowie von Nationalismus und Xenophobie, ist liquidiert worden. Ein Moskauer Appellationsgericht hat am 17. August die Berufung des Sova-Zentrums gegen das Urteil zu seiner Liquidierung durch eine Vorinstanz abgelehnt. Der Entscheid des Appellationsgerichts trat sofort in Kraft, demnach existiert das Zentrum als juristische Person nicht mehr.

Das Urteil zur Liquidierung hatte am 27. April das Moskauer Stadtgericht gefällt. Die Klage ging von der Abteilung für NGOs im Justizdepartement der Stadt Moskau aus, die damit auf Beschwerden einer russischen Veteranenorganisation reagierte. Das Justizdepartement warf Sova „grobe und nicht behebbare Verletzungen“ gegen das Gesetz über öffentliche Vereinigungen vor. So habe das Zentrum, das in Moskau als regionale Organisation registriert war, an Veranstaltungen außerhalb Moskaus teilgenommen. Insgesamt geht es um 24 Veranstaltung in drei Jahren, darunter die virtuelle Teilnahme einer Sova-Mitarbeiterin an einer Menschenrechtskonferenz der OSZE und der persönlichen Anwesenheit von Sova-Mitarbeitenden an anderen OSZE-Veranstaltungen sowie an Veranstaltungen in Rjazan, Nizhnij Novgorod, Krasnojarsk, anderen russischen Städten und in Kasachstan und Kirgistan.

Das Sova-Zentrum erklärte, dass der Großteil seiner Arbeit in Moskau stattfindet und ein Verbot von Aktivitäten und Auftritten außerhalb der Registrierungsregion wie ein „absurd wörtliches Verständnis“ des entsprechenden Gesetzesartikels erscheine. Zwar können sich Organisationen abhängig vom geografischen Kreis ihrer Arbeit auf regionaler, überregionaler oder nationaler Ebene registrieren lassen. Während der letzten 25 Jahre sei das aber nie so wörtlich verstanden worden, bemerkte Alexander Verchovskij, Direktor des Sova-Zentrums. Die Regelung habe bis anhin die systematische Aktivität betroffen, nicht individuelle Reisen. So habe Sova auch vor Gericht argumentiert, allerdings vergeblich. Das Appellationsgericht begründete seinen Entscheid nicht.

Sova will das Urteil an eine höhere Instanz weiterziehen, auf den Liquidationsprozess hat das jedoch keine Auswirkungen, da das Urteil des Appellationsgerichts sofort in Kraft trat. Das Zentrum will seine Arbeit aber weiterführen. Die früheren Angestellten erklärten in einem Statement, dass sie überzeugt seien, dass ihre Arbeit zum Allgemeinwohl beigetragen habe und fortgesetzt werden sollte. Deshalb beschlossen sie, als Gemeinschaft von Forschenden unter dem Namen Sova Forschungszentrum weiterzumachen und ihre Ergebnisse auf der bisherigen Sova-Website und -Kanälen in den sozialen Medien mitzuteilen. Ob die Registrierung des Zentrums als ausländischer Agent nun erlischt, ist unklar.

Das Sova-Zentrum ist nicht die einzige Menschenrechtsorganisation, die in den letzten Jahren verstärkt unter Druck gekommen ist. Schon 2021 entschieden Gerichte in Moskau, dass Memorial International und das Memorial Menschenrechtszentrum aufgelöst werden sollten. Im Januar 2023 ordnete das Moskauer Stadtgericht die Liquidierung der Moskauer Helsinki-Gruppe an, der ältesten Menschenrechtsorganisation in Russland. Ihre Berufung wurde ebenfalls abgelehnt. Im August 2023 beschloss der gleiche Richter am Stadtgericht, der das Urteil über Sova gefällt hatte, die Liquidierung des Sacharov-Zentrums. Auch diesen Fall hatte das Justizdepartement angestrengt.

Das 2002 gegründete Sova-Zentrum hatte in den letzten Jahren vor allem die Anwendung der umstrittenen Antiextremismusgesetzgebung Russlands überwacht. Seit Russlands Großinvasion in die Ukraine beobachtete Sova auch Fälle von Personen, die gegen den Krieg protestierten, unter anderem aus religiösen Gründen. (NÖK)