Russland: Papstworte lösen in Ukraine Irritationen aus
Äußerungen des Papstes sorgen in der Ukraine erneut für Unruhe und Kritik. In einem Videogespräch mit russischen Jugendlichen hatte Papst Franziskus diese zur Bewahrung ihres Erbes aufgerufen. Dabei sagte er unter anderem: „Ihr seid die Erben des großen Russlands: des großen Russlands der Heiligen, der Könige, des großen Russland Peters I., Katharinas II., jenes Imperiums, das groß, aufgeklärt, von großer Kultur und großer Menschlichkeit ist“. Weiter forderte er die jungen Menschen auf, sich nie von diesem Erbe loszusagen, „ihr seid die Erben der großen Mutter Russland, geht damit voran“. Zuletzt bedankte er sich bei ihnen für „ihre Art Russen zu sein“.
Das Videogespräch fand am 25. August im Rahmen des Russischen Katholischen Jugendtreffens in St. Petersburg statt, an dem rund 400 junge Katholik:innen aus Russland teilnahmen. Dabei hielt der Papst eine Rede und zwei junge Erwachsene berichteten aus ihrem Leben. Zudem konnten die Jugendlichen Franziskus Fragen stellen, unter anderem fragten sie ihn nach seinem Verhältnis zu Russland und seinen Erwartungen an ihre Kirche.
Mit seinen Worten zum imperialen Erbe des „großen Russlands“ löste Papst Franziskus in der Ukraine viel Unverständnis und Kritik aus. Die Apostolische Nuntiatur versuchte daraufhin mit einer Pressemitteilung zu beschwichtigen. Gemäß einigen „Interpretationen“ könnte Papst Franziskus die katholischen Jugendlichen „ermutigt haben, sich von russischen historischen Figuren inspirieren zu lassen, die für ihre imperialistischen und expansionistischen Ideen und Handlungen bekannt sind“. Die Vertretung wies diese Interpretationen strikt zurück, Franziskus habe nie imperialistische Ideen befürwortet. Im Gegenteil sei er ein entschiedener „Gegner und Kritiker jeder Form von Imperialismus und Kolonialismus“.
Auch der katholische Erzbischof von Moskau, Paolo Pezzi, relativierte die Aussagen des Papstes. Niemand unter den Teilnehmenden habe den Verweis auf Peter I. und Katharina II. als Hinweis auf deren imperialistische Politik und Expansion verstanden. Franziskus sei es darum gegangen, die Jugendlichen an den Reichtum der Vergangenheit und an ihre Identität zu erinnern, das sei auch allen Anwesenden klar gewesen.
Großerzbischof Svjatoslav (Schevtschuk), das Oberhaupt der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, regierte mit „großem Schmerz und großer Sorge“ auf die Äußerungen des Papstes. Seine Worte über das große Russland Peters I. und Katharinas II. seien „das schlimmste Beispiel für Imperialismus und extremen russischen Nationalismus“. Es bestehe die Gefahr, dass diese Worte als Unterstützung jenes Nationalismus und Imperialismus verstanden würden, der „heute die Ursache für den Krieg in der Ukraine geworden ist“, erklärte Svjatoslav in einem schriftlichen Statement, seine Kirche erwarte eine Erklärung des Papstes. Vor der Bischofssynode der UGKK bemängelte Großerzbischof Svjatoslav, dass Franziskus „weder Russland noch seine Geschichte oder derzeitigen Verbrechen“ verstehe. Seine Kirche müsse „die Stimme der Wahrheit für das ukrainische Volk sein, sogar vor dem Heiligen Vater in Rom“.
Das ukrainische Außenministerium wies die Aussagen des Papstes ebenfalls energisch zurück. Sein Sprecher Oleh Nikolenko bezeichnete es als „sehr schmerzlich“, dass russische Großmachtideen, die auch der Grund für die „chronische Aggressivität Russlands“ seien, „bewusst oder unbewusst“ vom Papst geäußert wurden. Denn die Mission des Papstes bestünde in seinem Verständnis darin, der russischen Jugend „die Augen für den zerstörerischen Kurs der jetzigen russischen Regierung zu öffnen“. Viktor Yelenskyj, der Leiter des ukrainischen Staatsdienstes für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit, wies darauf hin, dass die Aussagen in Russland als „Aufforderung für eine weitere imperiale Expansion“ gehört worden seien. Dabei wäre es eine gute Gelegenheit gewesen, um über Religionsfreiheit in Russland und den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine sowie über „Gut und Böse“ zu sprechen. Schließlich werde von der Kirche eine „moralische Position“ erwartet. Er führte die Worte des Papstes auf dessen Ausbildung unter dem Einfluss der Befreiungstheologie, die den Imperialismus immer im Westen und nie im Osten verorte, zurück, aber auch auf seine Distanz zur europäischen Geschichte. Allerdings hätte er in seinen zehn Jahren als Papst, der für unzählige Gläubige in der ganzen Welt zuständig ist, sich besser informieren können, fand Yelenskyj.
An der Pressekonferenz auf dem Rückflug aus der Mongolei nahm schließlich Papst Franziskus selbst Stellung. Zur Besinnung auf das eigene Erbe rufe er immer und überall auf. Mit dem „großen Russland“ habe er sich auf die Kultur bezogen, es sei weniger geografisch gemeint gewesen. Dennoch räumte er ein, seine Äußerungen seien möglicherweise „nicht glücklich“ gewesen. Peter I. und Katharina II. habe er erwähnt, weil er sie aus der Schule gekannt habe, das sei „vielleicht nicht ganz richtig“ gewesen. Bei seinen Worten habe er nicht an Imperialismus gedacht, sondern an die Kultur und die Weitergabe von Kultur sei nie imperial. Noch einmal betonte er, dass die russische Kultur „von einer sehr großen Tiefe“ sei und nicht „wegen politischer Probleme ausgelöscht werden sollte“.
Die Bischöfe der UGKK, deren Synode vom 3. bis 13. September in Rom stattfindet, trafen am 6. September mit Papst Franziskus zusammen. In dem zweistündigen Gespräch äußerten einige Bischöfe ihre Enttäuschung über die Aussagen des Papstes. Zugleich dankten sie ihm für sein stetiges Engagement für die Ukraine auf internationaler Ebene. (NÖK)
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Angesichts der Gräuel in Butscha sucht Erzpriester Georgiy Kovalenko, Rektor der Offenen Orthodoxen Hl. Sophia-Universität, im Glauben nach Antworten auf die Frage: "Wo war Gott".
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