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Polen: Kirchenvertreter beklagen fehlendes ökumenisches Engagement

23. Januar 2020

Der Vorsitzende des Polnischen Ökumenischen Rats (PÖR), der lutherische Bischof Jerzy Samiec, hat den Zustand der Ökumene in Polen als „ziemlich miserabel“ bezeichnet, weil vielerorts der ökumenische Enthusiasmus abnehme oder schon ganz verschwunden sei. Auch der Ökumenebeauftragte der Polnischen Bischofskonferenz, Bischof Krzysztof Nitkiewicz, beklagte ein zu geringes Interesse an der Ökumene: „Uns mangelt es an ökumenischem Bewusstsein.“

Anlass der kritischen Voten war die Gebetswoche für die Einheit der Christen vom 18. bis 25. Januar. Bischof Nitkiewicz kritisierte, dass sich leider nicht viele katholische Geistliche an der Gebetswoche beteiligten. Das ökumenische Bewusstsein zu stärken sei Aufgabe der ganzen Kirche einschließlich der Laien, sagte er in einem Interview der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI. Die Einheit könne jedoch nicht erzwungen werden. Immer wenn versucht worden sei, sie mit Gewalt herbeizuführen, sei es zu noch größeren Spaltungen gekommen. Das ökumenische Bewusstsein müsse im Volk Gottes wachsen, so Nitkiewicz. Das größte Problem sei heute die Gleichgültigkeit. „Inzwischen braucht nicht nur die Kirche Christi, sondern die ganze moderne Welt die Einheit der Christen“, betonte er.

Eine fehlende Bereitschaft, sich mit anderen Überzeugungen auseinanderzusetzen, beklagte auch Bischof Samiec am ökumenischen Neujahrstreffen im Lutherischen Zentrum am 15. Januar in Warschau. Es gebe aber auch ermutigende Initiativen wie die Ökumenische Bibelschule in Łódź, ökumenische Konferenzen in Lublin, Opole und Kamień Śląski, ökumenische Pilgerfahrten und Gottesdienste. Samiec zeigte sich überzeugt, dass die Kirchen ihre Glaubwürdigkeit in den sich säkularisierenden Gesellschaften nur bewahren können, wenn sie aktuelle Themen offen angehen, wie z. B. Verantwortung für die Schöpfung (PÖR-Appell 2013), Diakonie, Bildung, Fragen der Gleichberechtigung, der gesellschaftlichen Gerechtigkeit und der menschlichen Sexualität, Einsatz für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten (PÖR-Appell 2016), Schutz von Minderheiten und Engagement gegen Hate Speech.

Der zentrale Gottesdienst zur Gebetswoche findet am 23. Januar in der evangelischen Hl. Dreifaltigkeitskirche in Warschau mit einer Predigt von Erzbischof Stanisław Gądecki, dem Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz, statt und ist dem 20-jährigen Jubiläum des ökumenischen Dokuments „Das Sakrament der Taufe als Zeichen der Einheit“ gewidmet. Das Dokument war am 23. August 2000 von sieben polnischen Kirchen – der evangelischen Kirche A. B., der evangelisch-methodistischen Kirche, der evangelisch-reformierten Kirche, der römisch-katholischen Kirche, der polnisch-katholischen Kirche, der altkatholischen Kirche der Mariaviten und der Polnischen Autokephalen Orthodoxen Kirche – unterzeichnet worden.

Neben der gegenseitigen Anerkennung der Taufe hat der PÖR ein Dokument über die „Christliche Ehe von Personen unterschiedlicher Konfession. Deklaration der Kirchen in Polen zu Beginn des dritten Jahrtausends“ erarbeitet, das 2011 von der Dialog-Kommission der Polnischen Bischofskonferenz angenommen und zur Billigung an den Vatikan weitergeleitet wurde. Bis heute hat die Bischofskonferenz jedoch noch keine Antwort aus Rom erhalten. Der lutherische Bischof Samiec äußerte sich an einer Pressekonferenz des PÖR skeptisch, dass das Dokument jemals unterzeichnet werden kann. Bischof Nitkiewicz, der Ökumenebeauftragte der Polnischen Bischofskonferenz, wies auf die Situation der Kinder solcher Ehen hin, die im Geiste des Evangeliums erzogen werden und später selbst entscheiden sollten, welcher Kirche sie angehören wollen: „Es kann keine Halbkatholiken und Halbprotestanten geben. Das ist heute unmöglich. Aber wir streben nach einer sichtbaren Einheit.“

Regula Zwahlen