Lettland: Parlament beschließt Loslösung der Lettischen Orthodoxen Kirche von Moskau
Das lettische Parlament hat am 8. September ein Gesetz verabschiedet, das die völlige Unabhängigkeit der Lettischen Orthodoxen Kirche (LOK) von jeglicher kirchlicher Autorität außerhalb Lettlands vorschreibt. 73 Abgeordnete stimmten für eine entsprechende Gesetzesinitiative von Staatspräsident Egils Levits, drei sprachen sich dagegen aus und ein Abgeordneter enthielt sich. Levits dankte dem Parlament für die „Unterstützung der Autokephalie“ der LOK. Jede Einflussnahme des Patriarchen von Moskau auf die Kirche sei nun rechtlich ausgeschlossen, schrieb er auf Twitter.
Den Gesetzesentwurf hatte Präsident Levits am 5. September vorgestellt. Dabei berief er sich auf die Wiederherstellung des historischen Status der Autokephalie, die der russische Patriarch Tichon (Bellavin) der LOK 1921verliehen habe. Levits bezeichnete das Kappen der Verbindungen zum Moskauer Patriarchat als eine „Frage der nationalen Sicherheit“ und versicherte der LOK staatliche Unterstützung und Schutz.
Das verabschiedete Gesetz definiert die Prozedur, wie die LOK die staatlichen Institutionen über die Einsetzung und Absetzung des Kirchenoberhaupts, der Metropoliten, Erzbischöfe und Bischöfe informieren soll. Der gesetzliche Status der LOK betreffe aber nicht die Glaubenslehre und das kanonische Recht der LOK. Die LOK wurde aufgefordert, bis zum 31. Oktober ihre Statuten entsprechend anzupassen und die Kanzlei des Präsidenten bis zum 1. Oktober über die Namen der Kirchenleiter zu informieren.
Die LOK unterstand bisher dem Moskauer Patriarchat, das auch mit darüber entschied, wer Bischof in Lettland wurde. In ihren inneren Angelegenheiten war die LOK weitgehend autonom. Das Statut der LOK sieht dabei vor, dass ihr Oberhaupt und die Bischöfe lettische Staatsbürger sein müssen. 2019 verabschiedete das lettische Parlament unter Protest der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) ein Gesetz, dass nur noch lettische Staatsbürger, die mindestens zehn Jahre im Land gewohnt haben, Oberhaupt, Metropoliten oder Bischöfe der LOK werden dürfen.
Zur jüngsten Gesetzesänderung schrieb die LOK in einer Stellungnahme, dieser Beschluss sei zivilrechtlicher Natur, und die Änderungen beträfen nur die Rechtsstellung der Kirche: „Der Staat hat den Status unserer Kirche als autokephal bestimmt. Der Staat hat entschieden, dass die LOK rechtlich unabhängig von allen kirchlichen Zentren außerhalb der lettischen Grenzen ist, aber die geistliche, betende und liturgische Gemeinschaft mit allen kanonischen orthodoxen Kirchen in der Welt aufrechterhält. Die Änderung des Status ändert nichts am orthodoxen Glauben, den Dogmen, dem liturgischen Leben der Kirche, dem Kalenderstil, der liturgischen Sprache, den Riten, den Traditionen und dem innerkirchlichen Leben.“ Der Hl. Synod der LOK „appelliert voller Liebe an die Geistlichen und Laien, eine friedliche Gesinnung zu bewahren, die Einheit unserer Kirche zu bewahren und die Gesetze unseres lettischen Staates zu achten. Wir bleiben geistig und im Gebet in unverbrüchlicher Einheit mit der ganzen orthodoxen Welt und bewahren die Reinheit unseres Glaubens und stärken wir die heilige Orthodoxie in Lettland.“
Erzpriester Nikolaj Balaschov, ein Berater des russischen Patriarchen Kirill, erklärte, der von Patriarch Tichon 1921 verliehene Status der Autonomie sei von Patriarch Alexii II. 1992 bestätigt worden, den Status der Autokephalie habe die LOK aber nie innegehabt. In seinem Kommentar vom 7. September kritisierte Balaschov, dass ein säkulares Parlament Beschlüsse über innerkirchliche Strukturen der Orthodoxie aufgrund historisch falscher Angaben fälle. Das sei mit der Trennung von Kirche und Staat in der lettischen Verfassung nicht vereinbar. Doch sei das in der Atmosphäre des Rechtsnihilismus „bei unseren westlichen Nachbarn“ nicht weiter verwunderlich. Gemäß den Statuten der ROK, der die lettische Orthodoxie bisher kanonisch angehört, kann die Autokephalie, d.h. die vom Moskauer Patriarchat völlig unabhängige Wahl des Kirchenoberhaupts, nur von einem Landeskonzil der ROK gewährt werden.
Regula Zwahlen