Polen: Politisierte Seligsprechung der Familie Ulma
Im polnischen Markowa hat Kurienkardinal Marcello Semeraro die Seligsprechungsmesse für die Familie Ulma gefeiert. Das römisch-katholische Ehepaar Józef und Wiktoria Ulma und ihre sechs Kinder hatten während der deutschen Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg Juden auf ihrem Bauernhof versteckt. Nach einer Denunziation wurden sie alle zusammen am 24. März 1944 von der deutschen Polizei erschossen, Wiktoria war zu diesem Zeitpunkt mit dem siebten Kind hochschwanger. 1995 wurden Józef und Wiktoria Ulma durch Yad Vashem mit dem Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.
Der Leiter der Vatikanbehörde für Heiligsprechungen, Kardinal Semeraro betonte, dass „wir im Zeugnis und im Martyrium der Ulmas und ihrer Kinder die Größe der Familie wiederentdecken, den Ort des Lebens, der Liebe und der Fruchtbarkeit.“ Die Seligsprechung galt auch für das ungeborene Kind, was für Semeraro von besonderer Bedeutung ist: „Diese unschuldige Stimme will das Gewissen einer Gesellschaft aufrütteln, in der Abtreibung, Euthanasie und die Verachtung des Lebens, das als Last und nicht als Geschenk angesehen wird, weit verbreitet sind.“
Der Seligsprechungsmesse wurde anlässlich der anstehenden polnischen Parlamentswahlen im Oktober 2023 eine politische Färbung angelastet. Nach dem Gottesdienst hielt der anwesende Staatspräsident Andrzej Duda, der aus der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) stammt, eine Rede, die sich laut dem Chefredakteur Zbigniew Nosowski der katholischen Zeitschrift Więź in aggressivem Ton und wiederholt (21 Mal) um die Deutschen als Täter drehte. Eine politische Vereinnahmung des Anlasses hatte Kardinal Kazimierz Nycz, Metropolit von Warschau, bereits im April befürchtet: „Denken wir daran, dass wir nicht versuchen sollten, die eine oder andere Nation selig zu sprechen, denn bei dieser Gelegenheit besteht die Versuchung, ein wenig selbst zu profitieren. Bleiben wir bei dem Thema der schönen Seligsprechung einer Familie, die ihr Leben geopfert hat, weil sie Juden gerettet hat.“ Laut einem anderen Kommentator in Więź wurde die Geschichte der Familie Ulma auch politisch als „Gegengift gegen Jedwabne“ gefördert, dem Massaker, das polnische Bürger 1941 an jüdischen Einwohnern verübt hatten.
An der Seligsprechungsmesse nahmen etwa 32'000 Gläubige und Pilger, 1200 Priester und 80 Bischöfe teil. 2003 war Seligsprechungsprozess für die Familie Ulma initiiert worden. Am 17. Dezember 2022 hatte Papst Franziskus das Martyrium der Familie als Voraussetzung für die Seligsprechung bestätigt. Auf Beschluss der Polnischen Bischofskonferenz werden die Reliquien der seligen Familie Ulma ab dem 24. September in den polnischen Diözesen dargestellt.
Regula Zwahlen