Polen: Kardinal: Zivile Kriegsopfer nicht als "Kollateralschäden" sehen
Vor der „Versuchung“, sich an den seit zwei Jahren dauernden Krieg in der Ukraine zu gewöhnen oder daran zu ermüden, hat der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Matteo Zuppi, gewarnt. „Dies bringt nur immer mehr Leid“, sagte der Erzbischof von Bologna am 5. Februar bei einer Konferenz über das „Polnische Aufnahmemodell“ im Ukrainekrieg an der Kardinal-Wyszyński-Universität in Warschau. Es gehöre zur Verantwortung der Christen, sich für die Rettung von Menschenleben einzusetzen. „Wir können nicht akzeptieren, dass die zivilen Opfer, die in jedem Krieg die Mehrheit bilden, als Kollateralschaden betrachtet werden“, mahnte Zuppi laut einem Bericht von Vatican News.
Zuppi zufolge musste jede dritte ukrainische Familie seit Kriegsbeginn die Heimat verlassen. Sechs Millionen Ukrainer befänden sich derzeit in verschiedenen europäischen Ländern, darunter eine Million in Polen; weitere fünf Millionen seien Binnenflüchtlinge. „Wir können uns das Leid und die Schwierigkeiten derjenigen vorstellen, die alles verloren haben und die ihr Leben neu aufbauen müssen“, sagte der Kardinal. Die Zahl der Armen in der Ukraine habe sich innerhalb von zwei Jahren verdoppelt und laut UNO-Angaben sind sieben Millionen Ukrainer von einer Nahrungsmittelnotlage betroffen.
Der Kardinal würdigte die Solidarität und Aufnahmebereitschaft Polens und anderer europäischer Länder für Flüchtlinge aus der Ukraine. „Wenn die Frucht der Feindschaft der Hass ist, ist die Frucht der Solidarität der Frieden“, so Zuppi. Oft brauche es vor allem ein „kleines Licht“ in der Dunkelheit, um Änderungen einzuleiten. Dabei kam der Erzbischof auch auf die zahlreichen humanitären Initiativen der Caritas und anderer Organisationen zu sprechen und berichtete von seinen Erfahrungen auf seiner Friedensmission in Kyjiw im Auftrag des Papstes.
In Bezug auf die Friedensinitiativen des Heiligen Stuhls – Zuppi war dafür auch in Moskau, Washington und Peking – sagte der Erzbischof, dass es keinen wirklichen Plan oder eine Vermittlung gebe. Vielmehr gelte: „Das Anliegen des Papstes ist, alle Möglichkeiten zu schaffen, alles zu sehen, zu hören und zu fördern, was zu einer Lösung des Konflikts führen kann.“ Der Kardinal sprach von einem Dialog, der viele Früchte getragen habe, auch wenn die Ergebnisse, wie er betonte, immer zu gering sein werden, da es um Menschenleben gehe.
Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz sprach auch über neue Initiativen der Kirche in Italien: „Wir möchten Hunderte, Tausende von Kindern und Jugendlichen, die Waisen sind oder einfach vor dem Krieg geflohen sind, einladen, im nächsten Sommer eine Zeit lang bei unseren Familien zu verbringen.“ Diese Initiative, so der Kardinal, werde zu einem größeren Verständnis für die Situation der Ukrainer beitragen. Auch viele Polen hätten dank der Aufnahme von Ukrainern deren Leid und Bedürfnis nach Schutz besser nachvollziehen können.
Stanisław Gądecki, der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz und Schirmherr der Konferenz, sprach seinerseits über die Aktivitäten der Kirche in Polen zugunsten des Friedens. Er fasste die Hilfe für die Flüchtlinge aus der Ukraine und die Zusammenarbeit mit der Regierung in diesem Bereich zusammen: „Millionen von Polen haben ihre Häuser und ihre Herzen für die Flüchtlinge aus der Ukraine geöffnet. Die Kirche in Polen hat viele Plätze für Flüchtlinge in Caritas-Zentren und Erholungs- und Pilgerheimen, in Männer- und Frauenklöstern, in Seminaren, in Zentren von Bewegungen und Gemeinschaften und durch Pfarreien organisiert“, so Gądecki.
Gądecki fügte hinzu, dass die Flüchtlinge vor allem in den Privathäusern vieler Gläubiger und auch Bischöfe Unterschlupf gefunden hätten. Es habe „keine Pfarrei in Polen gegeben, die den Flüchtlingen nicht geholfen hat“. „Phänomenal“ sei jedoch besonders die groß angelegte Aufnahme von Flüchtlingen durch polnische Familien in Privathäusern gewesen. Nach Angaben des Erzbischofs fanden allein in den zwölf größten Städten Polens 525‘000 Flüchtlinge aus der Ukraine Aufnahme in Familien. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)